(Ferran Suñer Muñoz)
Sackgassen-Effekte kommen vor, wenn das Ergebnis der syntaktischen Analyse durch die darauffolgende semantische Analyse korrigiert werden muss. Durch den sogenannten Sackgassen-Effekt wird gezeigt, dass die Syntaxverarbeitung auch durch die Semantik gesteuert werden kann.
(Mehr zu diesem Thema im Modul 1 Sprachenlernen und Kognition der Multilingua Akademie)
(Jörg Roche & Ferran Suñer Muñoz)
Der Begriff Salienz drückt aus, dass in einer Szene stets ein oder mehrere Aspekte stärker hervortreten und wahrgenommen werden als andere Aspekte. Nach dem Figur-Grund-Prinzip der Gestalttheorie ist die Figur das saliente Element. Elemente im Fokus sind salient. Sie können besonders betont, groß oder fett geschrieben, durch die prominente Position hervorstechend, besonders bedeutungstragend oder anders hervorgehoben sein. Starke Verben des Deutschen sind salienter als die schwachen, wegen der Qualität der Vokale und der größeren Prominenz der Endungen. Als Strategie beim Sprachenlernen kann Salienz-Machung gezielt eingesetzt werden, um die Nachhaltigkeit des Lernens zu erhöhen. Mit der handlungsorientierten Didaktik kann Salienz durch Relevanz der kommunikativen Handlung erzeugt werden.
Literatur
- Langacker, Ronald W. (2008), Cognitive Grammar. A Basic Introduction. Oxford/New York: Oxford University Press.
(Mehr zu diesem Thema im Modul 1 Sprachenlernen und Kognition der Multilingua Akademie)
Dieses Prinzip des handlungsorientierten Spracherwerbs besagt, dass gelernt wird, was im Vordergrund steht, also salient ist.
(Mehr zu diesem Thema im Modul 1 Sprachenlernen und Kognition der Multilingua Akademie)
Sandwich Words
Sandwich-Wörter erhöhen die Wahrscheinlichkeit eines Sprachenwechsels. Es handelt sich um Wörter, die zwischen zwei Triggerwörtern stehen.
(Mehr zu diesem Thema im Modul 4 Mehrsprachigkeit und Sprachenerwerb der Multilingua Akademie)
(Agnes Einhorn)
Alle Lernergruppen sind heterogen. Lerner unterscheiden sich in Bezug auf die soziale Herkunft, die ökonomische Lage, die Bildung der Eltern, die individuellen Fähigkeiten oder das Interesse für den Lerngegenstand. Nach dem Scaffolding-Konzept müssen Lehrkräfte wie Gerüstbauer arbeiten, um den Verschiedenheiten der Lerner gerecht zu werden und sie auf ihrem Lernweg systematisch zu unterstützen (Kniffka & Neuer 2008). Lerner sollten unterstützt werden (zum Beispiel durch Anleitungen oder Muster für eine bestimmte Textsorte, ein Zeitgerüst oder ähnliches), sie sollten aber weder zu viel noch zu wenig Hilfe bekommen.
Literatur
- Kniffka, Gabriele M. & Neuer, Birgit S. (2008), „Wo geht‘s hier nach ALDI? – Fachsprachen lernen im kulturell heterogenen Klassenzimmer.“ In: Budke, Alexandra (Hrsg.), Interkulturelles Lernen im Geographie-Unterricht. Potsdam: Universitätsverlag, 121–135.
(Mehr zu diesem Thema im Modul 6 Unterrichtsmanagement der Multilingua Akademie)
(Jörg Roche, Stefanie Haberzettl, Gulio Pagonis, Moiken Jessen & Nicole Weidinger)
Scaffolding Option(s)
Als Scaffoldingoptionen werden verschiedene Hilfestellungen und Denkanstöße bezeichnet, die den Lernprozess unterstützen sollen, um den Lernern maximal natürliche Interaktionsbedingungen für die Sprachproduktion zu bieten. Sie lassen sich, gleich einem Gerüst, stufenweise wieder abbauen, sobald Teilaufgaben eigenständig lösbar sind. Kinder erlernen beispielsweise morphosyntaktische Feinheiten durch die Reformulierungen ihrer Äußerungen durch Erwachsene und werden durch das Scaffolding motiviert, ein Gespräch ohne fortzuführen.
Literatur
Behrens, Heike; Madlener, Karin & Skoruppa, Katrin (2016), The role of scaffolding in children’s questions: Implications for (preschool) language assessment from a usage-based perspective. In: Goschler, Juliana & Niemeier, Susanne (Eds.), Yearbook of the German Cognitive Linguistics Association (Vol. 4). Berlin, Boston: Mouton de Gruyter, 237–260.
(Mehr zu diesem Thema im Modul 3 Propädeutikum wissenschaftliches Arbeiten der Multilingua Akademie)
(Jörg Roche)
Pseudo-Loan
Bei Scheinentlehnungen handelt es sich unter anderem um eine zunehmende Anzahl von Neologismen, die nach nur scheinbar existierenden Mustern im Englischen gebildet werden, auch wenn diese für (Englisch-) Muttersprachler unverständlich oder komisch wirken, wie zum Beispiel Aircondition statt korrekt air conditioning (AC), Handy statt cell (phone), Servicepoint (Deutsche Bahn) statt customer service, public viewing (Leichenschau) statt public screening/presentation.
(Mehr zu diesem Thema im Modul 7 Kultur- und Literaturwissenschaften der Multilingua Akademie)
(Jörg Roche)
Threshold Hypothesis
Im bilingualen Erstsprachenerwerb werden drei Schwellen angenommen, die mit Hilfe von sprachlicher Förderung überwunden werden können, um in beiden Sprachen eine gleichwertig hohe Kompetenz zu erreichen. Wird die erste Schwelle nicht überwunden, entwickelt der Sprecher keine hohe Kompetenz in beiden Sprachen (Semilingualismus). Die zweite Schwelle verhindert die weitere Entwicklung einer der Sprachen (dominanter Bilingualismus). Nach der dritten Schwelle liegt eine hohe Kompetenz in beiden Sprachen vor (ausbalancierter Bilingualismus).
Literatur
- Cummins, James (1982), Die Schwellenniveau- und Interdependenz-Hypothese: Erklärungen zum Erfolg zweisprachiger Erziehung. In: Swift, James (Hrsg.), Bilinguale und multikulturelle Erziehung. Würzburg: Königshausen & Neumann, 34–43.
(Mehr zu diesem Thema im Modul 4 Mehrsprachigkeit und Sprachenerwerb der Multilingua Akademie)
(Jörg Roche)
Threshold Level
Der Gemeinsame Europäische Referenzrahmen (GER) diente als Vorlage für alle europäischen Fremdsprachencurricula und mittlerweile auch für viele Curricula für Deutsch als Zweitsprache. Das prominenteste darunter ist das Rahmencurriculum für Integrationskurse, (BAMF 2017) das Migrantinnen und Migranten Kenntnisse der deutschen Sprache und Kultur bis auf Niveau B1 vermitteln will. Dieses Niveau wird im GER als das Schwellenniveau (threshold) bestimmt, das zur Bewältigung des Alltags und zur gesellschaftlichen Teilhabe und somit zur Integration in eine Sprachgemeinschaft (im Fall des Rahmencurriculums für Integrationskurse) vorausgesetzt wird. Die Kompetenzbeschreibungen aus dem Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmen dienen folglich auch der Zertifizierung von Sprachkenntnissen. Im Fall des Integrationskurses werden durch das Bestehen des „Deutschtest für Zuwanderer“ (kurz: DTZ) Deutschkenntnisse auf dem Niveau B1 oder A2 anerkannt. Auch die meisten internationalen Sprachprüfungen werden auf der Grundlage der Kompetenzbeschreibungen des GER entwickelt. Die Annahme von Schwellenniveaus findet sich bereits in Vorläufern des GER und in der Multilingualismus-Forschung der 1970er und 1980er Jahre und hat damals unter anderem den muttersprachlichen Förderunterricht begründet.
Literatur
(Mehr zu diesem Thema im Modul 5 Sprachenlehren der Multilingua Akademie)
(Jörg Roche)
Secondary Ethnolect
Der primäre Ethnolekt fungiert als Quelle für den sekundären Ethnolekt, der meist in den öffentlichen Medien (etwa in Comedy, Filmen, Zeitungsartikeln etc.) oder auch in literarischer Gestaltung auftritt und dort als typische Ausdrucksform von türkischen, beziehungsweise von Jugendlichen, deren Erstsprache nicht Deutsch ist, dargestellt wird. Da der sekundäre Ethnolekt in dieser Form nicht von den ursprünglichen Sprechern und Sprecherinnen des primären Ethnolekts verwendet wird, wird er auch als eine Art Usurpierung, Transgression oder als Foreignizing (Darstellung einer fremden Identität) bezeichnet.
Literatur
- Auer, Peter (2003), ‚Türkenslang‘: Ein jugendsprachlicher Ethnolekt des Deutschen und seine Transformationen. In: Häcki-Buhofer, Annelies (Hrsg.), Spracherwerb und Lebensalter. Tübingen: Francke, 255–264.
(Mehr zu diesem Thema im Modul 4 Mehrsprachigkeit und Sprachenerwerb der Multilingua Akademie)
(Sandra Drumm)
Selection Criteria of Erudite Language
Mit der Selektionsfunktion der Bildungssprache ist gemeint, dass diese als geheimes, aber entscheidendes Curriculum dienen kann. Lerner, die dieses Register nicht erwerben, können nicht als erfolgreiche Lerner gelten, da sie sich in schulischen Kontexten nicht angemessen ausdrücken können – unabhängig davon, ob sie die fachlichen Inhalte verstehen oder nicht (vergleiche Morek und Heller 2012). Daraus lässt sich schließen, dass ohne die Fähigkeit, Bildungssprache angemessen zu verstehen und produzieren zu können, Menschen nicht am gesellschaftlichen Diskurs und der Vermittlung von Wissen teilhaben können. Der Bildungssprache entspricht in etwa auch der CALP-Begriff (Cognitive Academic Language Proficiency), der aber ebenfalls schwer genau umrissen werden kann.
Literatur
- Morek, Miriam & Heller, Vivien (2012), Bildungssprache – kommunikative, epistemische, soziale und interaktive Aspekte ihres Gebrauchs. Zeitschrift für angewandte Linguistik, 57, 67–101.
(Mehr zu diesem Thema im Modul 8 Berufs‑, Fach- und Wissenschaftssprachen der Multilingua Akademie)
(Manuela Sato-Prinz)
Semantic Accommodation
Der Begriff des semantischen Akkommodationsprozesses stammt aus dem Bereich der kognitiven Semantik und beschreibt die Anpassung und Veränderung eines vorhandenen Bedeutungskonzepts eines Begriffs oder Konstrukts durch neue Impulse von außen. Ein möglicher Impuls kann dabei das Erlernen einer neuen Sprache und der durch sie übermittelten Sicht auf die Welt sein. Semantische Akkommodationsprozesse können etwa durch Wortassoziationsexperimente sichtbar gemacht werden oder durch die Erhebung von concept maps. So kann zum Beispiel aufgezeigt werden, wie sich ein Nationenbild und somit das semantische Konzept, das hinter einer Länderbezeichnung steht, verändern kann.
Literatur
- Ifenthaler, Dirk (2006), Diagnose lernabhängiger Veränderung mentaler Modelle. Entwicklung der SMD-Technologie als methodologisches Verfahren zur relationalen, strukturellen und semantischen Analyse individueller Modellkonstruktionen. Freiburg: Universität Freiburg.
- Roche, Jörg (2016), „Zur Rolle von Stereotypisierungen bei Assimilations- und Akkommodationsprozessen“. In: Linguistik online 79: 5, 149–164 [Online unter https://bop.unibe.ch/linguistik-online/article/view/3340/5111 15.Juni 2018].
(Mehr zu diesem Thema im Modul 7 Kultur- und Literaturwissenschaften der Multilingua Akademie)
Unter Serious Games versteht man im weitesten Sinne „spielerische“ Simulationen, Fallstudien oder Szenarien, meist in elektronischer Form. Spielerisch an ihnen sind vor allem die kreativen Erprobungsmöglichkeiten von Lösungen in authentischen oder quasi-authentischen Situationen, ohne dabei jedoch die realen Konsequenzen tragen zu müssen. Für Lehr‑, Lern- und Diagnosezwecke eignen sich Serious Games in mehrfacher Hinsicht: sie ermöglichen realistische, facettenreiche, adressatenspezifische und variable Handlungskontexte für sprachmotivierende Handlungssituationen. Damit stellen sie eine besondere Art von Lehrmaterial da, das erstens nicht produziert werden muss und zweitens sich im Prozess des Lernens/Arbeitens interaktiv generiert und drittens vielfach Verwendung finden kann. Selbst für kleine Kinder liegen entsprechende digitale Anwendungen vor, die mit einfachsten und leicht zu erlernenden Fertigkeiten bedient werden können.
Literatur
- Marr, Ann Christine (Hrsg.) (2010), Serious Games für die Informations- und Wissensvermittlung. Bibliotheken auf neuen Wegen. Wiesbaden: Dinges & Frick.
- Lampert, Claudia; Schwinge, Christiane & Tolks, Daniel (2009), Der gespielte Ernst des Lebens. Bestandsaufnahme und Potenziale von Serious Games (for Health). Medienpädagogik 15/16, 1–16.
- Thissen, Frank (2014), Von der virtuellen Lernumgebung (virtual learning environment) zum virtuellen Lernraum (virtual learning space). In: Olaf Eigenbrodt & Richard Stang (Hrsg), Formierungen von Wissensräumen. Optionen des Zugangs zu Information und Bildung. Berlin: De Gruyter, 151–163.
(Mehr zu diesem Thema im Modul 3 Propädeutikum wissenschaftliches Arbeiten der Multilingua Akademie)
(Silva Ladewig)
Singuläre Gesten sind nicht konventionalisiert. Sie verkörpern Bedeutung, die sich auf die Proposition einer Äußerung bezieht. Sie werden spontan erzeugt und sind indexikalisch mit dem konkreten Gesprächskontext verbunden (Müller 2010). Sie stehen im Gegensatz zu rekurrenten oder emblematischen Gesten, die eine feste Form- und Bedeutungsbeziehung aufweisen. Die nach oben gerichtete, flache Hand (palm up open hand) wird beispielsweise dazu gebraucht, um eine Argument anzubieten oder einzufordern, die Kreisbewegungsgeste (cyclic gesture) um unter anderem eine Wortsuche zu markieren.
Literatur
- Müller, Cornelia (2010), Wie Gesten bedeuten. Eine kognitiv-linguistische und sequenzanalytische Perspektive. Sprache und Literatur 41: 105, 37–68.
(Mehr zu diesem Thema im Modul 2 Kognitive Linguistik der Multilingua Akademie)
(Jörg Roche)
Sinus Study
Die Sinus-Studie zeigt eine vielfältige und differenzierte Milieulandschaft der Migrantenpopulation in Deutschland: insgesamt acht Migranten-Milieus, die sich in Bezug auf den sozialen Status und die damit verbundenen Wertvorstellungen, Lebensstile und ästhetischen Vorlieben unterscheiden. Die Einteilung der Milieus erfolgt nicht nach globalen ethnischen Merkmalen. Dadurch wird die Ausbildung gemeinsamer lebensweltlicher Muster bei Migranten aus unterschiedlichen Herkunftskulturen (Ethnien) deutlich. Die Sinus-Studie zeigt, Menschen des gleichen Milieus mit unterschiedlichem Migrationshintergrund verbindet mehr miteinander als mit Landsleuten aus anderen Milieus. Der Integrationsgrad in die Zielgesellschaft steht demnach in Zusammenhang mit der Bildung und der sozialen Herkunft: Je höher das Bildungsniveau und je urbaner die Herkunftsregion, desto leichter und besser gelingt die Integration in die Aufnahmegesellschaft. Faktoren wie ethnische Zugehörigkeit, Religion und Zuwanderungsgeschichte beeinflussen die Alltagskultur, sind letzten Endes aber nicht milieuprägend und identitätsstiftend für das Milieu. Höher entwickelte Sprachkompetenzen korrelieren mit einem höheren Grad der Integration in die Zielgesellschaft.
(Mehr zu diesem Thema im Modul 4 Mehrsprachigkeit und Sprachenerwerb der Multilingua Akademie)
(Kees de Bot & Jörg Roche)
Situational codeswitching markiert den Wechsel der sozialen Rolle, wie er etwa zwischen der Sprache zu Hause und der Sprache in der Schule zu beobachten ist. Die situativen Codewechsel sind gesellschaftlich kodifiziert und demnach vorhersagbar. In manchen Fällen kann mit dem Hinweis auf bestimmte soziale Kategorien in eine andere Sprache gewechselt werden, um einen bestimmten Teil der Konversation hervorzuheben oder den Ton des Gesprächs zu ändern. Dann liegt eine phatische Funktion eines Sprachenwechsels vor. Metaphorische Wechsel können innerhalb einer sprachlichen Äußerung unabhängig von dem situativen Kontext auftreten. Ein metaphorischer Wechsel ist gegenüber dem situativen Sprachenwechsel nicht vorhersagbar, sondern wird entsprechend den individuellen Intentionen des Sprechers beziehungsweise der Sprecherin absichtlich oder auch unbewusst eingesetzt, hat also eine pragmatische Funktion. Gumperz modifiziert in seinen späteren Arbeiten den Fachausdruck und führt den Terminus conversational codeswitching ein (vergleiche Gumperz 1982: 59).
Literatur
- Blom, Jan-Petter & Gumperz, John Joseph (1972), Social meaning in linguistic structure: codeswitching in Norway. In: Gumperz, John Joseph & Hymes, Dell H. (Hrsg.). Directions in sociolinguistics. The ethnography of communication. New York: Holt, Rinehart and Winston, 407–434.
- Gumperz, John Joseph (1982). Conversational Code Switching. In: Gumperz, John Joseph (Hrsg.), Discourse strategies. Cambridge, UK/New York: Cambridge University Press, 59–99.
Dieses Prinzip des handlungsorientierten Spracherwerbs besagt, dass sich sprachliche Differenzierungen und kulturelle Handlungsfähigkeit nur ergiben, wenn Sprache in Situationen genutzt wird.
(Mehr zu diesem Thema im Modul 1 Sprachenlernen und Kognition der Multilingua Akademie)
(Jörg Roche)
Somatismen bezeichnen bildspendende Körperorgane. Wie sehr Sprache und Kultur in einem linguakulturellen System (Linguakultur) verwoben sind, lässt sich an Beispielen aus verschiedenen Sprachen zeigen, die jeweils andere Perspektiven ausdrücken, als im Deutschen konventionalisiert sind. Im Türkischen etwa hat die Leber als bildspendendes Körperorgan (Somatismus) eine ähnliche Bedeutung wie das Herz oder der Magen im Deutschen (zum Beispiel in Liebe geht durch den Magen oder Herzblatt). Um große Wertschätzung auszudrücken, wird im Türkischen gerne Cigerim (wörtlich ‚meine Leber’; ‚mein Schatz’) benutzt.
(Mehr zu diesem Thema im Modul 5 Sprachenlehren der Multilingua Akademie)
(Jörg Roche)
Die Spontangrammatik wird als eine flüchtige, instinktive Hypothesengrammatik verstanden. Sie entsteht bei der ersten Begegnung mit einer einigermaßen interkomprehensiblen oder transparenten Sprache, und zwar im Moment des ersten Dekodierungsvorgangs der neuen sprachlichen Struktur. Der Lerner erkennt bedeutungshaltiges lexikalisches Material und gegebenenfalls weitere Regularitäten in und zwischen den erworbenen Sprachen. Die Spontangrammatik wird im weiteren Lernprozess modifiziert, sofern sich das deklarative und prozedurale Wissen auf den systemischen Charakter der Sprachen einstellt und seinen Umfang erweitert.
Literatur
Marx, Nicole (2008), Is it necessary to train learners in interlingual comprehension strategies? In: Gibson, Martha; Hufeisen, Britta & Personne, Cornelia (Hrsg.). Mehrsprachigkeit: Lernen und lehren, Multilingualism: learning and instruction, Le Plurilinguisme: appendre er enseigner, O Plurilinguismo: aprender ensinar. Selected papers from the L3 conference in Freiburg/Switzerland 2005. Baltmannsweiler: Schneider Verlag Hohengehren, 135–150.
Meißner, Franz-Joseph (2004), Transfer und Transferieren. Anleitungen zum Interkomprehensionsunterricht. In: Klein, Horst G. & Rutke, Dorothea (Hrsg.), Neuere Forschungen zur Europäischen Interkomprehension. Aachen: Shaker, 39–66. (Jörg Roche)
Intercomprehension
Das Prinzip der Interkomprehension bezieht sich darauf, dass Transferbasen die Grundlage der Verständlichkeit von Sprachen einer Sprachfamilie bilden. Wenn die gemeinsame Basis identifiziert oder ausgefiltert ist, bleiben monolinguale Profilelemente als Spezifika einer zu erwerbenden Sprache übrig. Beim Erwerb einer weiteren nahverwandten Fremdsprache, zu der der Lerner bereits Vorwissen verfügt, kommt es demnach darauf an, das vorhandene Wissen und seine Organisation so zu aktivieren, dass die zwischen den Ausgangssprachen und der Zielsprache liegenden kognitiven Schemata miteinander verbunden werden können. Es geht also darum, das Bekannte mit dem Neuen zu verknüpfen, um das Spezifische der zu erlernenden Sprache verankern zu können (Transferdidaktik). Das Prinzip der (vorwiegend strukturellen) Ähnlichkeiten greift die EuroCom-Initiative auf, die Lehrpläne und Materialien für romanische, germanische und slawische Sprachen entwickelt. Die Interkomprehensionsdidaktik stellt das systemische Vorgehen verschiedener Modelle dar, die auf Ähnlichkeiten von Sprachen aufbauen und bemüht sind, diese in Unterrichtsmethoden umzusetzen. Zu ihren wichtigsten Elementen gehören: die Spontangrammatik, der Mehrsprachenspeicher und der Didaktische Monitor. Das Konzept der Transferdifferenz in der kognitiven Sprachdidaktik erweitert das Interkomprehensionskonzept als didaktisches Prinzip auch im Umgang mit sprachkulturellen Differenzen.
Literatur
- Klein, Horst G. & Stegmann, Tilbert Dídac (2000), EuroComRom – die sieben Siebe. Romanische Sprachen sofort lesen können. Aachen: Shaker.
(Mehr zu diesem Thema im Modul 4 Mehrsprachigkeit und Sprachenerwerb der Multilingua Akademie)
(Ulrich Zeuner)
Language Awareness Exercises
Interkulturelle Sprachaufmerksamkeitsübungen sind Übungen, die die Lerner veranlassen sollen, über die Verwendung von Sprache (der eigenen und der Fremdsprache) nachzudenken, um eine Sprachbewusstheit zu entwickeln. Dabei kann man über einzelne sprachliche Phänomene wie grammatische Strukturen und deren Gebrauch, Wortbedeutungen und einzelne Redemittel, aber auch Unterschiede in den Kommunikationsstilen reflektieren.
So kann man zum Beispiel über Höflichkeit in der Kommunikation nachdenken: Welche Regeln der Höflichkeit kennen die Lerner aus ihren Muttersprachen? Wie werden diese Regeln sprachlich und nonverbal umgesetzt? Welche Regeln gibt es in der deutschen Sprache? Welche Gemeinsamkeiten und welche Unterschiede lassen sich feststellen?
Literatur
- House, Juliane (1996), Zum Erwerb Interkultureller Kompetenz im Unterricht des Deutschen als Fremdsprache. Zeitschrift für Interkulturellen Fremdsprachenunterricht 1: 3 [Online unter http://tujournals.ulb.tu-darmstadt.de/index.php/zif/article/view/734/711 14. August 2018].
(Mehr zu diesem Thema im Modul 7 Kultur- und Literaturwissenschaften der Multilingua Akademie)
(Sandra Drumm & Jörg Roche)
Immersive Instruction
Der Begriff Sprachbad bezeichnet das sprachliche Umfeld, in dem sich Zweitsprachenlerner befinden und in dem sie am Unterricht und/oder dem Alltag im Zielsprachenland oder einem zielsprachlichen Umfeld teilnehmen. Damit das Sprachbad, die Immersion, lernförderlich für den Spracherwerb sein kann, muss es ausreichend sprachlich anspruchsvollen, aber zu bewältigenden Input beinhalten. Dies wird im Unterricht besonders durch die Bereitstellung von sprachlichen Hilfsmitteln (Wortgeländer, Wortlisten, Satzbaumuster) erreicht. Es gibt unterschiedliche Formen der Immersion/des Sprachbades. Allein der Kontakt oder das Eintauchen in die fremde Sprache ist jedoch nicht ausreichend. Dann müssten alle Ausländer, die in deutschsprachigen Ländern leben, schnell gut Deutsch sprechen und die Deutschen selbst auch. Entscheidend ist, was in diesem Sprachbad passiert, wie intensiv die Beschäftigung mit der Sprache ist und wie sinnvoll ihr Gebrauch für den Lerner wirklich ist.
Literatur
- Wode Henning (2001), Multilingual education in Europe – What can preschools contribute? In: Björklund, Siv & Kastemaa, Veera (Hrsg.), Language as a Tool – Immersion Research and Practices. University of Vaasa: Vaasan yliopiston julkaisuja, Report 83, 424–446.
(Mehr zu diesem Thema im Modul 8 Berufs‑, Fach- und Wissenschaftssprachen der Multilingua Akademie)
(Enikő Öveges & Jörg Roche)
Language Curriculum
Sprachencurricula fokussieren die Entwicklung der Fremdsprachenkenntnisse. Sie stützen sich auf drei Hauptkomponenten: (1) Inhalte, (2) Methoden und (3) Leistungsbeurteilung. Die Grundbausteine der sprachlichen Inhalte können Vokabular, Grammatik, Funktionen, Notionen und Text- oder Aufgabentypen sein. Zur Methodik gehören die Lernaktivitäten, die Prozesse und die Techniken, die von den Lehrkräften angewandt werden; und die Lernergebnisse zeigen, welche Fähigkeiten die Lerner am Ende eines Unterrichtszeitraums erworben haben. Die Evaluation als drittes Element kann breit gefasst sein: Sie kann in Form eines anvisierten Erfüllungsgrades auf einer Kenntnisskala erfolgen, mit einem standardisierten Test erfolgen, oder die Fähigkeit meinen, effektiv an verschiedenen kommunikativen Situationen teilzunehmen.
(Mehr zu diesem Thema im Modul 6 Unterrichtsmanagement der Multilingua Akademie)
(Jörg Roche)
Der Begriff Sprachenpolitik bezeichnet das Gesamt expliziter Regelungen (Gesetze, Vorschriften, Restriktionen) und konventionalisierter Praxen in Bezug auf Mehr- oder Einsprachigkeit. Sprachenpolitik betrifft die Regelungen einer Amtssprache, möglicher Minderheitensprachen, der Schulfremdsprachen, internationaler Kommunikationsregelungen. Manche Länder besitzen mehrere Amtssprachen, oft in unterschiedlicher Gewichtung. Deutsch ist in Teilen Belgiens Amtssprache, auch in der EU, wird dort aber in der Praxis wenig genutzt. Dänisch ist in Schleswig-Holstein Minderheitensprache, Sorbisch in Sachsen. In weiterführenden Schulen sind in Deutschland zwei Fremdsprachen Pflicht, in der EU gilt das sprachenpolitische Ideal von Muttersprache plus zwei Fremdsprachen. In der Luftfahrt und anderen Arbeitsbereichen ist eine Lingua Franca wie Englisch vorgeschrieben. Auch die Rolle der Migrantensprachen kann sprachenpolitisch geregelt sein. Sprachenpolitik kann in diesem Bereich in der äußersten Position von Sprachenverdrängung, über assimilative Ansätze (Beispiel Frankreich) bis hin zur anderen Seite des Spektrums mit konsequent dynamischer Sprachenpolitik (Beispiel Schweden) reichen. Deutschlands Sprachenpolitik ist zwischen den beiden Extremen als multilingual-dynamisch verortet. In Deutschland zeigen sich demnach ambivalente Tendenzen zwischen der Betonung der Nationalsprache als Integrationssprache und der Förderung oder Berücksichtigung von Migrantensprachen.
Literatur
- Stolle, Anne-Katrin (2013), Integrationspolitik und ‑praxis im europäischen Vergleich. Theoretische Diskussion und Darstellung anhand exemplarischer Gesetze und bildungspolitischer Richtlinien. Zeitschrift für interkulturellen Fremdsprachenunterricht 1.
(Mehr zu diesem Thema im Modul 4 Mehrsprachigkeit und Sprachenerwerb der Multilingua Akademie)
Spracherwerb bezeichnet ganz allgemein das Sich-Aneignen einer Sprache ungeachtet der Situation, der Methode oder des erreichten Beherrschungsgrades. Die gelegentlich gemachte Unterscheidung zwischen “Erwerb” und “Lernen” kann keine wissenschaftlich fundierten Aussagen über unterschiedliche Erwerbsprozesse machen. Allerdings unterscheiden sich Situation und Bedingungen im ungesteuerten und gesteuerten Spracherwerb.
(Sandra Drumm)
Speech Act
Sprachliche Handlungen sind Äußerungen, die selbst Handlungen vollziehen: Sie wurden im Rahmen der Sprechakt-Theorie deshalb als sprachliche Handlungen bezeichnet. Zu ihnen zählen zum Beispiel Befehlen, Taufen, Versprechen, also Tätigkeiten, die Auswirkungen auf die Realität haben und die nur auf sprachlichem Wege vollbracht werden können. Besonders in der Diskussion um Sprache und Sprachkompetenzen im Rahmen von Bildung sind aber auch sprachliche Handlungen, die für das Lehren und Lernen große Bedeutung haben, in den Blick geraten wie beispielsweise Erklären, Beschreiben, Definieren, Argumentieren usw.
Zu den wichtigsten Vertretern der klassischen Sprechakt-Theorie zählen John Austin und John Searle. Sie unterteilen den Vorgang einer Äußerung in unterschiedliche Teilakte, um zu erfassen, welche Prozesse bei der Kommunikation ablaufen. Dies sind nach Austin (1962) die Lokution (der Akt des ‚etwas Sagens‘, die Kombination von Lautproduktion, grammatischer Struktur usw.); die Illokution (Frage, Bitte, Warnung usw.); die Perlokution (das Erzielen einer Wirkung des Gesagten, zum Beispiel Überzeugen, Verunsichern, Trösten). Die letzten beiden Akte sind hier in einer wenn-dann Beziehung verbunden, das heißt, wenn ich jemandem (erfolgreich) Trost ausspreche, dann fühlt dieser sich getröstet.
Searl (1969) ergänzt die Theorie von Austin um die Proposition, die er zwischen Lokution und Illokution ansiedelt. Diese bezeichnet den Aussagegehalt des Satzes.
Literatur
- John L. Austin (1962), How to Do Things with Words. Cambridge: Harvard University Press.
- John R. Searle (1969), Speech Acts. An Essay in the Philosophy of Language. Cambridge: University Press Cambridge.
(Mehr zu diesem Thema im Modul 8 Berufs‑, Fach- und Wissenschaftssprachen der Multilingua Akademie)
(Jörg Roche)
Sprachliche Handlungsfähigkeit, bestimmt als die Fähigkeit eines Individuums sich grundlegend in der eigenen Lebenswelt zu orientieren und alle relevanten Situationen kommunikativ erfolgreich zu meistern, umfasst eine ganze Reihe von physiologischen und kognitiven Voraussetzungen sowie linguistischen, sozialen und methodischen Kompetenzen. Sehr verkürzt gesagt, bedeutet dies, dass neben der Fähigkeit, Laute wahrzunehmen und zu artikulieren, auch jene gegeben sein muss, Konzepte auszubilden und Nachrichten zu entwerfen und zu formulieren. Dies allein befähigt Individuen allerdings noch nicht dazu, sprachlich angemessen zu handeln: Benötigt wird dazu auch jede Menge Welt- und Situationswissen, prozedurales Wissen, kulturspezifisches Wissen zum Ablauf von Diskurspraktiken sowie Interesse am Kommunizieren. Das wiederum umfasst sowohl sprachliche als auch soziale Kompetenzen. Letztere beinhalten ihrerseits auch die Fähigkeit zu erkennen, wann das eigene sprachliche Handeln nicht jenem der Gesprächspartner beziehungsweise ihren Erwartungen entspricht. In einer solchen Situation müssen strategische (metakognitive, kritische) Kompetenzen aktiviert werden, die zur Anpassung der eigenen Handlungskompetenz beitragen, zum Beispiel, indem fehlendes Wissen in Erfahrung gebracht wird.
Literatur
- Roche, Jörg (2013), Fremdsprachenerwerb und Fremdsprachendidaktik. 3. völlig neu bearbeitete Auflage. Tübingen: UTB Basics.
(Silva Ladewig)
Linguistic Potential of Gestures
Das sprachliche Potenzial redebegleitender Gesten bezieht sich auf deren Eigenschaft, in ein Sprachsystem wie das der Gebärdensprache einzutreten beziehungsweise selbst ein solches zu entwickeln (Müller 2013, siehe auch Armstrong & Wilcox 2007). Eine Voraussetzung dafür ist die Fähigkeit von Gesten, die sprachlichen Funktionen nach Bühler (1931) zu erfüllen wie „Darstellung“, „Ausdruck“ und „Appell“. Des Weiteren müssen sie in der Lage sein, ein großes Spektrum an Bedeutung zu übertragen, was bei manuellen Gesten aufgrund ihrer artikulatorischen Flexibilität gegeben ist. Wie Müller (2013) zeigt, sind die Hände neben den Sprechwerkzeugen die einzigen Artikulatoren, die feinste Bedeutungsunterschiede herstellen können.
Literatur
- Armstrong, David F.& Wilcox, Sherman (2007), The gestural origin of language. Oxford/New York: Oxford University Press.
- Bühler, Karl (1934), Sprachtheorie. Die Darstellungsfunktion der Sprache. Stuttgart/New York: Fischer.
- Müller, Cornelia (2013), Gestures as a medium of expression: The linguistic potential of gestures. In: Müller, Cornelia; Cienki, Alan; Fricke, Ellen; Ladewig, Silva H.; McNeill, David & Tessendorf, Sedinha (Hrsg.), Body – Language – Communication: An International Handbook on Multimodality in Human Interaction (Handbooks of Linguistics and Communication Science 38). Berlin, Boston: Mouton de Gruyter, 202–217.
(Mehr zu diesem Thema im Modul 2 Kognitive Linguistik der Multilingua Akademie)
(Gesine Lenore Schiewer)
Der Begriff bezeichnet das Nachdenken über die Gestaltung literarischer Sprache und ästhetisch gestaltete Formen der Sprachverwendung, in denen zum Beispiel die Lautlichkeit einer Sprache rhythmisiert wird oder die grammatischen Möglichkeiten einer Sprache für literarische Ausformungen genutzt, vielleicht sogar über die im Alltag übliche Sprachverwendung hinaus gedehnt wird. Interkulturelle Autorinnen und Autoren wie zum Beispiel Feridun Zaimoglu und Ilija Trojanow verbinden damit poetologische Programme wie die Auffassung, dass solche Formen der Anreicherung des Deutschen Beiträge zur allgemeinen Sprachverwendung und sichtbare Spuren literarischer Texte in der deutschen Sprache sein können.
Literatur
- Schiewer, Gesine Lenore (2015), Die Nomadisierung der Moderne (Ilja Trojanow) als sprachpoetisches Programm. Interkulturelle Literaturwissenschaft und Fremdsprachenunterricht am Beispiel von ‚Chamisso-Literatur’. In: IDT 2013, Bd. 1, Hauptvorträge, hg. von Hans Drumbl und Antonie Hornung. Bozen: bu,press, 149–171.
(Mehr zu diesem Thema im Modul 7 Kultur- und Literaturwissenschaften der Multilingua Akademie)
(Jörg Roche)
Linguistic Standard
Der Begriff Standardsprache markiert den Versuch, eine neutrale Sprachnorm zu definieren, als größter gemeinsamer Nenner verschiedener Varietäten. Die Standardsprache ist demnach eine übergeordnete, autonome Varietät, die von der gesamten Sprachgemeinschaft akzeptiert wird. Sprachen bestehen aber immer aus verschiedenen Varietäten, die sich aufgrund verschiedener kommunikativer Kriterien (Zweck, Vertrautheit, Öffentlichkeitsgrad) und vor allem durch den Sprachgebrauch (Situation) und aus der Sprachgeschichte herausgebildet haben. Sie unterscheiden sich darüber hinaus auch in ihrer medialen Realisierung. Daher müsste man unter anderem eine mündliche und schriftliche Standardsprache ansetzen. Da zwischen den Varietäten wegen der Vielfalt der Einflussfaktoren so große Unterschiede bestehen, ist es schwer, eine Standardsprache festzulegen. In den englischen Sprachgebieten gibt es deshalb mehrere regionale Standardsprachen. Auch von der Zeichensprache gibt es mehrere Standards. In der Rechtschreibung ist im Deutschen die Kriterien der Standardsprache für den öffentlichen Gebrauch festgelegt worden. Dennoch weichen die einschlägigen Standard-Werke in über 1000 Kriterien voneinander ab. Im Unterricht ist Standardsprache ein Versuch, die natürliche sprachliche Vielfalt auf ein operationales Maß zu vereinfachen.
(Mehr zu diesem Thema im Modul 4 Mehrsprachigkeit und Sprachenerwerb der Multilingua Akademie)
(Manuela Sato-Prinz & Ulrich Zeuner)
Stereotype
Ein Stereotyp ist eine generalisierende Kategorie, Zuschreibung oder Äußerung, die sich zumeist auf eine Gruppe von Menschen bezieht. Den Individuen, die der jeweiligen Gruppe angehören, werden aufgrund ihrer Gruppenzugehörigkeit bestimmte Eigenschaften zugeschreiben. Unterscheidet man sie von Vorurteilen, gelten Stereotype als wertfrei, während Vorurteile tendenziell negativ geprägt sind. Ob eine solche Unterscheidung jedoch notwendig ist, wird sehr kontrovers diskutiert.
Stereotype sind Konstruktionen der Wirklichkeit, die der Reduktion von Komplexität dienen (kognitive Funktion) und Identität durch Konstruktion von Alterität stabilisieren (soziale Funktion). Stereotype übernehmen somit für die menschliche Wahrnehmung und das soziale Miteinander wichtige Funktionen. Aus kognitiver Sicht stellen sie Kategorisierungsschemata zur Verfügung, die es Menschen ermöglichen, die Flut an Wahrnehmungen und Informationen in einer komplexen Welt zu ordnen. Psychodynamisch erlauben es Stereotype, Psychohygiene zu betreiben. So können Menschen Aggressionen und sonstige negative Gefühle gegen sich selbst auf andere Personen oder Personengruppen durch Stereotype auslagern. Stereotype sind deshalb in der Regel eine relationale Kategorie und müssen vor dem Hintergrund der äußernden Person oder Gruppe betrachtet werden. Für Gruppen wirken Stereotype zwar nach außen ausgrenzend, jedoch nach innen eingrenzend und stärkend.
Aufgrund dieser essentiellen Funktionen von Stereotypen kann es beim interkulturellen Lernen nicht um die Bekämpfung von Stereotypen gehen, sondern um eine selbstreflektierende Auseinandersetzung mit den eigenen Stereotypen, um besser zu verstehen, wie diese entstanden sind und welche Rolle sie bei der Wahrnehmung und Interpretation der Umwelt spielen. Der erste Schritt dabei besteht darin, sich durch Aussprechen oder Aufschreiben oder auch Aufzeichnen die eigenen Stereotype bewusst zu machen. Mit diesen bewussten Vorstellungen kann man weiterarbeiten, indem man sich zum Beispiel die folgenden Fragen stellt: Wie haben sich diese Vorstellungen herausbildet? Welchen Anteil haben bei ihnen Vorurteile und welchen die Erfahrung? In welchen Situationen haben sie sich bestätigen, beziehungsweise erweitern lassen?
Literatur
- Allport, Gordon W. (1954), The Nature of Prejudice. Cambridge, Mass.: Addison-Wesley Publishing Company.
- Kleinsteuber, Hans, J. (1991), Stereotype, Images und Vorurteile — Die Bilder in den Köpfen der Menschen. In: Günter Trautmann (Hrsg.), Die häßlichen Deutschen? Die Deutschen im Spiegel der westlichen und östlichen Nachbarn. Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft, 60–68.
- Schneider, David J. (2004), The Psychology of Stereotyping. New York: Guilford Press.
(Mehr zu diesem Thema im Modul 7 Kultur- und Literaturwissenschaften der Multilingua Akademie)
Literatur
- Allport, Gordon W. (1954), The Nature of Prejudice. Cambridge, Mass.: Addison-Wesley Publishing Company.
- Kleinsteuber, Hans, J. (1991), Stereotype, Images und Vorurteile — Die Bilder in den Köpfen der Menschen. In: Günter Trautmann (Hrsg.), Die häßlichen Deutschen? Die Deutschen im Spiegel der westlichen und östlichen Nachbarn. Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft, 60–68.
- Schneider, David J. (2004), The Psychology of Stereotyping. New York: Guilford Press.
(Agnes Einhorn)
Guidance
Gute Testaufgaben und Übungssequenzen beinhalten alle nötigen Grundlagen, um von Lerner selbstständig gelöst werden zu können. Je nach Lernzielen können Aufgaben unterschiedliche Arten der Steuerung beinhalten: zum Beispiel formale, inhaltliche, sprachliche oder strategische Steuerung. Die formale Steuerung bedeutet, dass in der Testaufgabe angegeben wird, welcher Textsorte entsprechend die Lerner den Text gestalten sollen. Bei der sprachlichen Steuerung werden Lösungsbeispiele oder mögliche sprachliche Strukturen angeboten. Die strategische Steuerung bezieht sich darauf, die Aufmerksamkeit der Kandidaten und Kandidatinnen vor der Lösung der Aufgaben in Form einer Anleitung auf die einzelnen Phasen der Textproduktion (Planung, Ausführung, Kontrolle oder Reparatur) zu lenken.
(Mehr zu diesem Thema im Modul 6 Unterrichtsmanagement der Multilingua Akademie)
(Ruth Albert)
Confounding Variable
Störvariablen sind nicht kontrollierbare Elemente eines Experiments, die die Messung der unabhängigen oder abhängigen Variable stören und deshalb bestmöglich ausgeschlossen werden sollten. Beispielsweise könnten während der Durchführung einer Untersuchung Müdigkeit oder laute Umgebungsgeräusche die Versuchsteilnehmer beeinflussen und somit die Testergebnisse verfälschen. Störvariablen können auch durch eine ungeeignete Versuchsanordnung entstehen. Bei einer Untersuchung zum Vokabellernen (abhängige Variable) mit verschiedenen Vokabellernstrategien (unabhängige Variable) könnte beispielsweise die Art des Testens zu Störvariablen führen. Wenn eine Gruppe die Vokabeln mithilfe von Texten und die andere Gruppe diese durch das Nachsprechen des zu lernenden Wortes mit gleichzeitigem Ausführen einer typischen Geste gelernt hat, dann sollte man zur Überprüfung der Effizienz der Strategien die Vokabeln nicht (nur) schriftlich abfragen. Die Gruppe, die die Textmethode verwendet hat, hätte dadurch einen deutlichen Vorteil. Die Versuchsteilnehmer werden bei dieser Methode direkt mit der Schriftform konfrontiert, während die andere Gruppe die Vokabeln nur hört.
Literatur
- Albert, Ruth & Marx, Nicole (2014), Empirisches Arbeiten in Linguistik und Sprachlehrforschung. Anleitung zu quantitativen Studien von der Planungsphase bis zum Forschungsbericht (2. überarbeitete Auflage). Tübingen: Narr.
(Mehr zu diesem Thema im Modul 3 Propädeutikum wissenschaftliches Arbeiten der Multilingua Akademie)
Strategy based instruction models zählen zu den direkten Trainingsmaßnahmen mit dem Ziel, dem Lerner Lernstrategien zu vermitteln. Diese Vermittlung beinhaltet einen allgemeinen Überblick, die Erklärung strategischer Lernaktivitäten und die nötige Festigung durch Übungen.
Abgesehen von wenigen Abweichungen umfassen alle Modelle die vier Schritte raising awareness, presentation & modeling of strategies, multiple practice opportunities und self-evaluation of the effectiveness & transfer of strategies to fresh tasks.
Literatur
- Chamot, Anna U. (2005), Language learning strategy instruction. Current issues and research. Annual Review of Applied Linguistics 25, 112–130.
- Grenfell, Michael & Harris, Vee (1999), Modern Languages and Learning Strategies. In Theory and Practice. London: Routledge.
- Oxford, Rebecca L. (1990), Language Learning Strategies. What every teacher should know. Boston, MA: Heinle.
(Mehr zu diesem Thema im Modul 1 Sprachenlernen und Kognition der Multilingua Akademie)
(Kees de Bot)
Die strukturelle Bildgebung, ein Neuroimaging-Verfahren, untersucht die anatomische Struktur des Gehirns mit dem Ziel, mögliche strukturelle Abweichungen aufgrund von Tumoren zu diagnostizieren.
(Mehr zu diesem Thema im Modul 1 Sprachenlernen und Kognition der Multilingua Akademie)
(Manuela Sato-Prinz)
Exchange Studies
Ein Studienaustauschaufenthalt ist ein Aufenthalt im Kontext von (universitärer) Bildung, für den eine nationale Grenze überschritten wird. Er ist zeitlich begrenzt und geht nicht notwendigerweise mit dem Erwerb eines Studienabschlusses einher. Viele andere Rahmenkomponenten von Studienaustauschaufenthalten sind sehr unterschiedlich geregelt. Neben sehr individuellen Zielsetzungen wie einem Zuwachs an fachlichen und fremdsprachlichen Kenntnissen oder persönlichem Wachstum sollen Studienaustauschaufenthalte auch zur Völkerverständigung beitragen. Eines der größten Programme zur Förderung von Studienaustauschaufenthalten ist das so genannte ERASMUS-Programm der Europäischen Union.
(Mehr zu diesem Thema im Modul 7 Kultur- und Literaturwissenschaften der Multilingua Akademie)
(Jörg Roche & Kees de Bot)
Nach der Subset-Hypothese (Paradis 2004) bilden Wörter (aber auch syntaktische Regeln und andere strukturelle Phänomene) aus einer bestimmten Sprache ein Subset des Gesamtinventars aller beherrschten Sprachen. Diese Subsets werden durch die Verwendung von Wörtern in bestimmten Situationen gebildet und aufrechterhalten. Wörter einer bestimmten Sprache werden in den meisten Situationen zusammen verwendet, aber in Situationen, in denen Code-Switching regelmäßig vorkommt, können Sprecher und Sprecherinnen ein Subset entwickeln, in dem Wörter aus mehr als einer Sprache vorkommen. Jedes Subset kann unabhängig von den übrigen aktiviert werden. Einige (zum Beispiel Subsets aus typologisch verwandten Sprachen) können erhebliche Überschneidungen in Form von verwandten Wörtern aufweisen.
Bei der Entwicklung von Ethnolekten beispielsweise, einer Mischvarietät, die in mehrsprachigen urbanen Milieus entsteht, kommt es zur Herausbildung eines gemeinsamen Subsets. Weil die Mitglieder der Gruppe bestimmte Wörter und Ausdrücke zusammen verwenden, werden sie zum Bestandteil dieses Subsets. Für diese Sprecher und Sprecherinnen stammen Wörter nicht aus der einen oder anderen Sprache, sondern gehören zu dem neuen, eigenständigen Teilsystem.
Literatur
- Paradis, Michel (2004), A Neurolinguistic Theory of Bilingualism. Amsterdam/Philadelphia: John Benjamins.
(Mehr zu diesem Thema im Modul 4 Mehrsprachigkeit und Sprachenerwerb der Multilingua Akademie)
Pidgins sind oft in kolonialen Kontexten entstanden. Die Sprache der Eroberer bezeichnet man als Superstrat, die Sprache der Ureinwohner als Substrat.
(Mehr zu diesem Thema im Modul 4 Mehrsprachigkeit und Sprachenerwerb der Multilingua Akademie)
Pidgins sind oft in kolonialen Kontexten entstanden. Die Sprache der Eroberer bezeichnet man als Superstrat, die Sprache der Ureinwohner als Substrat.
(Mehr zu diesem Thema im Modul 4 Mehrsprachigkeit und Sprachenerwerb der Multilingua Akademie)
(Mark Webber)
System of Associated Commonplaces
Das ‚System assoziierter Gemeinplätze‘ kommt in Blacks Interaktionstheorie der Metapher vor (Black 1983a). Später (1983b) hat er von einem implicative complex (,Implikationsgefüge‘) gesprochen. Für Black erfolgt der Metaphorisierungsprozess nicht durch die Substitution eines Wortes durch ein anderes, sondern in der Interaktion zweier Ausdrücke. Dadurch entstehen Propositionen, Aussagen, Argumente.
Ein Beispiel: Die Metapher von einer „Mauer im Kopf“ (Schneider 1982) ist seit 1989 zu einem Gemeinplatz (einer allgemein verständlichen und geläufigen Redewendung) geworden. Die Behauptung, wir hätten eine Mauer im Kopf, impliziert und aktiviert in uns eine Fülle zugehöriger, vielleicht sogar widersprüchlicher Assoziationen, etwa: von scheinbar unüberwindlichen Bauten; von undurchdringlichem Material; von schützenden und abweisenden Abgrenzungen.
Diese Implikationen funktionieren als Filter: sie blenden bestimmte Merkmale der ‚Mauer‘ aus und stellen andere „ins Rampenlicht“. Sie erlauben uns, die dem Wort ‚Mauer‘ innewohnenden Implikationen zu erkennen und für uns sinnvoll auszulegen.
Die Existenz von allgemein verstandenen Implikationen widerspricht nicht Blacks Überzeugung, Metaphern können einmalig, kreativ und heuristisch sein. Also ist der Begriff vom „System assoziierter Gemeinplätze“ wichtig, um den Prozess des Metaphorisierens als Interaktionsprozess und die Metapher als Argumentations- und Erkenntnismittel zu erklären.
Literatur
- Black, Max (1983a), Die Metapher (1954), In: Haverkamp, Anselm (Hrsg.), Theorie der Metapher. Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft, 55–79.
- Black, Max (1983b), Black, Max (1977), Mehr über die Metapher. In: Haverkamp, Anselm (Hrsg.), Theorie der Metapher. Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft, S. 479–413.
- Jost, Jörg (2007), Topos und Metapher. Zur Pragmatik und Rhetorik des Verständlichmachens. Heidelberg: Universitätsverlag Winter.
- Schneider, Peter (1982), Der Mauerspringer. Erzählung. 6. Auflage. Reinbek: Rowohlt.
(Mehr zu diesem Thema im Modul 8 Berufs‑, Fach- und Wissenschaftssprachen der Multilingua Akademie)