(Jörg Roche & Sandra Drumm)
Über eine bestimmte sprachliche Varietät erfolgt eine Repräsentation und Konstruktion von Identität. Damit zeigt man sich als eine Person, die einer bestimmten Gruppe zugehörig ist. Dies kann einerseits die Nationalsprache sein, aber auch auf kleinere Gruppen bezogen werden (Verwendung der Fachsprache Jura, um sich als Jurist darzustellen). Sprache und Sprachkompetenz prägen und fundieren die Konstruktion unserer Identität, für uns selbst und für andere. Ein bestimmter sprachlicher Code, eine Varietät wie etwa die Kanaksprak, kann auch die Zugangsberechtigung zu einer sozialen Gruppe darstellen. Wer sie nicht beherrscht, gehört nicht dazu. Umgekehrt gehören auch bestimmte soziale Eigenschaften dazu, um eine Berechtigung zum Sprachgebrauch zu erhalten. In vielen Gesellschaften ist die Konstruktion einer nationalen Identität – trotz aller soziologischer und kulturwissenschaftlicher Bedenken, auch gesetzlich mit der Sprachenpolitik verbunden und führt daher oft zu Unruhen und langwierigem Streit.
Literatur
- Morek, Miriam; Heller, Vivien (2012), Bildungssprache – kommunikative, epistemische, soziale und interaktive Aspekte ihres Gebrauchs. In: Zeitschrift für angewandte Linguistik 57, 67–101.
(Mehr zu diesem Thema im Modul 8 Berufs‑, Fach- und Wissenschaftssprachen der Multilingua Akademie)
(Isabel Hoffmann)
Illusion hängt eng mit Immersion und Präsenz zusammen. Während Immersion das Eintauchen in ein Medium bedeutet und Präsenz das Gefühl, in einer virtuellen Welt anwesend zu sein, bezeichnet Illusion das Bewusstsein, die computergenerierte Welt überhaupt als eine Welt zu begreifen, in die eingetaucht werden kann (Ortsillusion) und in der reale Handlungen mit ihren Konsequenzen, die man aus dem echten Leben kennt, möglich sind (Plausibilitätsillusion) (vergleiche Dörner et al. 2013: 18).
Literatur
- Dörner, Ralf; Broll, Wolfgang; Grimm, Paul & Jung, Bernhard (2013), Virtual and Augmented Reality (VR/AR). Grundlagen und Methoden der Virtuellen und Augmentierten Realität. Berlin/Heidelberg: Springer Verlag.
(Mehr zu diesem Thema im Modul 9 Grundlagen der Medienwissenschaft und Mediendidaktik der Multilingua Akademie)
(Isabel Hoffmann)
Beim Immersionsbegriff spielen kognitive, affektive und synästhetische Aspekte eine Rolle (vergleiche Voss 2008: 70–71). Umso wichtiger erscheint eine ausdifferenzierte Beschreibung dieses Oberbegriffs. Immersion ist ein konvergenter Prozess, bei dem die Gedanken auf das Geschehen einer Handlungsabfolge oder Geschichte gerichtet sind. Sie beschreibt den durch eine Situation, Umgebung oder grafische Darstellung hervorgerufenen Grad des Eintauchens. Je immersiver eine Umgebung gestaltet ist, desto stärker tritt die Wahrnehmung des vermittelnden Mediums in den Hintergrund, sodass die virtuelle Umgebung als real empfunden wird. Das Eintauchen selbst ist bedingt durch objektive, quantifizierbare Stimuli, sprich multimodale Stimulationen der menschlichen Wahrnehmung. Immersion fungiert zum einen als Motivator, indem sie zu einer wiederholten Mediennutzung führt, da angenehme, genussvolle und fesselnde Gefühle empfunden werden. Weiter ist sie als Mediator anzusehen, da sie Auswirkungen auf das individuelle Wissen und die persönlichen Einstellungen der Nutzer und Nutzerinnen haben kann (vergleiche Bilandzic 2013: 273–274; Dörner et al. 2013: 46; Lange 2019: 56–57; Engelmann 2018: 22).
Literatur
- Bilandzic, Helena (2013), Immersion. In: Wünsch, Carsten & Schramm, Holger (Hrsg.), Handbuch Medienrezeption. Baden-Baden: Nomos, 273–290.
- Dörner, Ralf; Broll, Wolfgang; Grimm, Paul & Jung, Bernhard (2013), Virtual and Augmented Reality (VR/AR). Grundlagen und Methoden der Virtuellen und Augmentierten Realität. Berlin/Heidelberg: Springer Verlag.
- Engelmann, Nikolayi (2018), Virtual Reality Gaming. Potential der Technologie für die Welt der digitalen Spiele. Baden-Baden: Tectum.
- Lange, Stefanie (2019), Enhanced E‑Books – Eine empirische Studie zum immersiven Erleben. Berlin: Springer-Verlag.
- Voss, Christiane (2008), Fiktionale Immersion. montage AV. Zeitschrift für Theorie & Geschichte audiovisueller Kommunikation 17: 2, 69–87.
(Mehr zu diesem Thema im Modul 9 Grundlagen der Medienwissenschaft und Mediendidaktik der Multilingua Akademie)
Der Ausdruck des Einsetzens eines temporalen Ereignisses (Aktionsart), zum Beispiel das Erwachen oder Aufblühen des Frühlings, wird als Inchoativität bezeichnet. Das Deutsche verfügt über ein ausgeprägtes Inventar an Präfixen zum Ausdruck unterschiedlicher Aktionsarten.
(Mehr zu diesem Thema im Modul 1 Sprachenlernen und Kognition der Multilingua Akademie)
(Gesine Lenore Schiewer & Jörg Roche)
Individuelle, soziale und kulturelle Bedeutsamkeit bedeutet, dass Literatur mit entsprechenden didaktischen Konzepten zur Reflexion, Identitätsbildung, Persönlichkeitsentwicklung und Sozialisation wesentlich beitragen kann. Literarische Texte gehören in diesem Zusammenhang einem gesamten „Handlungsfeld Literatur“ an und gewinnen hierdurch in den drei folgenden Bereichen an Bedeutung.
Individuelle Bedeutsamkeit hat Literatur insbesondere für heranwachsende Kinder und Jugendliche, die sich in der Lektüre mit alternativen Lebensentwürfen identifizieren oder sie verwerfen, in fremde Welten eintauchen und auf fiktive Figuren ihre Träume, Wünsche und Zukunftsentwürfe projizieren.
Soziale Bedeutsamkeit hat Literatur besonders in Kontexten, in denen Leserinnen und Leser über einen gemeinsam rezipierten Text ins Gespräch kommen. Hier ergibt sich eine Vielfalt von Möglichkeiten der Lektüre sowie des Austausches über persönliche Deutungsmuster der Handlung. Es kann zur Bestätigung, Revidierung oder gar Verwerfung von eigenen Deutungsmustern kommen.
Wie jede Kunstform besitzt schließlich auch die Literatur innerhalb einer Gemeinschaft kulturelle Bedeutsamkeit, da sie ein Teil ihres kulturellen Gedächtnisses ausmacht. Über literarische Texte erfahren wir, welche historischen Ereignisse, politischen Entwicklungen und sozialen Wandlungen eine Kultur zu einem bestimmten Zeitpunkt geprägt haben.
Vor allem der dritte Bereich gewinnt im fremdsprachlichen Literaturunterricht an Bedeutung, da über die Lektüre von literarischen Texten der Zielkultur sich Wege des Kulturdialogs öffnen. Für das Zustandekommen dieses Dialogs muss innerhalb des Literaturunterrichts Raum geschaffen werden, in dem die Literatur der Zielkultur nicht ausschließlich als Quelle landeskundlichen Wissens gesehen wird, sondern durch entsprechende Didaktisierungen Brücken zwischen muttersprachlicher und fremdsprachlicher Literatur geschlagen werden. In diesem Zusammenhang sind Lerneraktivitäten, die zum Erproben und Experimentieren mit eigenen literarischen Schreibversuchen anregen, ein wesentlicher Schritt zur Eröffnung des interkulturellen Dialogs.
Literatur
- Abraham, Ulf & Kepser, Matthis (2006), Literaturdidaktik Deutsch. Eine Einführung. 2. durchgesehene Auflage. Berlin: Erich Schmidt Verlag.
(Mehr zu diesem Thema im Modul 7 Kultur- und Literaturwissenschaften der Multilingua Akademie)
Inner Speech
Innere Sprache ist eine metaphorische Bezeichnung für die vom Formulator produzierte Sprache im Prozess der Sprachverarbeitung vor der Phase der Artikulation. Als „innere Sprache“ wird auch das „Durchspielen“ verschiedener Ausdrucksmöglichkeiten bezeichnet. Sie wird als hoch produktiv und wichtig in der Schreibdidaktik angesehen, weil beim inneren Sprechen unterschiedliche Varianten „durchgespielt“ und erprobt werden.
(Mehr zu diesem Thema im Modul 1 Sprachenlernen und Kognition der Multilingua Akademie)
(Jörg Roche)
Die integrative Landeskunde ist ein Ansatz einer in Abgrenzung von früheren — von den Kulturwissenschaften als problematisch angesehenen — Ansätzen der Kultur‑, Länder- oder Landeskunde alternativen Landeskunde, die interdisziplinäre Themen aufgreift und diese von Experten der Ausgangs- und Zielkulturen gemeinsam für die interkulturelle Nutzung im Unterricht erarbeiten lässt. Sie beschäftigt sich vor allem mit gesellschaftspolitischen, historischen und Themen der Alltagsorganisation. Wichtigster Vertreter ist das Tübinger Modell mit dem Lehrwerk Typisch Deutsch.
Literatur
- Mog, Paul & Althaus, Hans-Joachim (1992), Die Deutschen in ihrer Welt. Tübinger Modell einer integrativen Landeskunde. Berlin & New York: Langenscheidt.
- Althaus, Hans-Joachim (2009), Was müsste man nicht alles wissen! Landeskunde als Teildisziplin im Studium Deutsch als Fremdsprache. In: Joachimsthaler, Jürgen (Hrsg.), Theorie ohne Praxis – Praxis ohne Theorie? Kulturwissenschaft(en) im Spannungsfeld zwischen Theorie, Didaktik und kultureller Praxis. München: Meidenbauer, 131– 142.
(Mehr zu diesem Thema im Modul 5 Sprachenlehren der Multilingua Akademie)
(Jörg Roche & Ferran Suñer Muñoz)
Integrierte Metaphern stellen im Gegensatz zu hybriden Metaphern keine unwahrscheinliche Gestalt dar, sondern deuten diese nur an. So wird beispielsweise in der Werbung für eine Kaffeemaschine durch ihre gebückte Form die Metapher EINE KAFFEMASCHINE IST EIN DIENER bzw. EIN KELLNER suggeriert, das heißt die Kaffeemaschine serviert den fertigen Kaffee wie ein echter Kellner.
Literatur
- Forceville, Charles (2008), Metaphor in pictures and multimodal representations. In: Gibbs, Raymond W. Jr. (Ed.), The Cambridge Handbook of Metaphor and Thought. Cambridge: Cambridge University Press, 462–482.
(Mehr zu diesem Thema im Modul 1 Sprachenlernen und Kognition der Multilingua Akademie)
(Isabel Hoffmann)
Die neuen Technologien, wie Augmented Reality (AR) und Virtual Reality (VR), hängen in ihrer Funktion oftmals vollkommen von der Nutzerin oder dem Nutzer und ihren oder seinen Handlungen ab. Die vielseitigen Interaktionsmöglichkeiten stellen einen bedeutenden Faktor beim Lernen dar, welcher einerseits die immersive Erfahrung steigern kann und andererseits für Unterbrechungen dieser sorgt, sofern es sich um technisch weniger entwickelte Systeme handelt. „Durchbricht die mediale Machart die Subtilität der technischen Vermittlung demonstrativ, lenkt sie die Aufmerksamkeit des Rezipienten zu stark auf das Wie des Dargestellten und nicht mehr auf das Dargestellte selbst“ (Lange 2019: 61–62). Bei hoch immersiven Medien oder Lernumgebungen besteht dagegen ein hoher Grad an Natürlichkeit der Interaktion, sodass die Eingabeformen und Erfahrungen des Nutzers oder der Nutzerin beinahe deckungsgleich mit dem Umgang mit der realen Welt sind (vergleiche Gerth & Kruse 2020: 148).
Literatur:
- Gerth, Sebastian & Kruse, Rolf (2020), VR/AR-Technologien im Schulungseinsatz für Industrieanwendungen. In: Orsolits, Horst & Lackner, Maximilian (Hrsg.), Virtual Reality und Augmented Reality in der Digitalen Produktion. Wiesbaden: Springer Gabler, 145–179.
- Lange, Stefanie (2019), Enhanced E‑Books – Eine empirische Studie zum immersiven Erleben. Berlin: Springer-Verlag.
(Mehr zu diesem Thema im Modul 9 Grundlagen der Medienwissenschaft und Mediendidaktik der Multilingua Akademie)
(Jörg Roche)
Interdependence Hypothesis
Die Interdependenzhypothese (Cummins 1982, 2000) geht von der Annahme aus, dass sich die situationsgebundenen Basiskompetenzen (BICS) in Erst- und Zweitsprache unabhängig voneinander entwickeln. In Hinblick auf die Entfaltung einer kognitiven akademischen Sprachfähigkeit (CALP) sind beide Sprachen jedoch durchlässig. Dies bedeutet, dass ein Zweit- oder Fremdsprachenlerner ganz entschieden davon profitieren kann, wenn entsprechende Fähigkeiten und entsprechendes Wissen in der Erstsprache vorhanden sind, weil sich die CALP auf weitere Sprachen überträgt. Das Modell von Cummins ist jedoch umstritten, weil sich die Begriffe nicht klar definieren lassen und eine empirische Überprüfung nicht möglich ist.
Literatur
- Cummins, James (1982), Die Schwellenniveau- und Interdependenz-Hypothese: Erklärungen zum Erfolg zweisprachiger Erziehung. In: Swift, James (Hrsg.), Bilinguale und multikulturelle Erziehung. Würzburg: Königshausen & Neumann, 34–43.
- Cummins, James (2000), Language, Power and Pedgogy: Bilingual Children in the Crossfire. Clevedon: Multilingual Matters.
(Mehr zu diesem Thema im Modul 4 Mehrsprachigkeit und Sprachenerwerb der Multilingua Akademie)
Interference
Der Begriff Interferenz bezeichnet die negativen Einflüsse des Vorwissens in einer Sprache auf neu zu erwerbende Strukturen in einer anderen Sprache. Die Kontrastivhypothese geht von der Annahme aus, dass Unterschiede in der Zielsprache im Vergleich zur Erstsprache zu Erwerbsschwierigkeiten führen und es infolgedessen zu Interferenzen kommt.
Der Begriff Transfer lässt zunächst offen, welche Wirkung das Vorwissen hat. Er bezeichnet lediglich die Übernahme aus einer Sprache in die andere beim Spracherwerb (auch retroaktiv von der L2 auf die L1) und beim Codewechsel.
Literatur
- Königs, Frank G. (2010), Zweitsprachenerwerb und Fremdsprachenlernen: Begriffe und Konzepte. In: Krumm, Hans-Jürgen; Fandrych, Christian; Hufeisen, Britte & Riemer, Claudia (Hrsg.), Deutsch als Fremd- und Zweitsprache: Ein internationales Handbuch. Berlin: Walter de Gruyter, 754–763.
(Mehr zu diesem Thema im Modul 7 Kultur- und Literaturwissenschaften der Multilingua Akademie)
(Jörg Roche)
Intercomprehension
Das Prinzip der Interkomprehension bezieht sich darauf, dass Transferbasen die Grundlage der Verständlichkeit von Sprachen einer Sprachfamilie bilden. Wenn die gemeinsame Basis identifiziert oder ausgefiltert ist, bleiben monolinguale Profilelemente als Spezifika einer zu erwerbenden Sprache übrig. Beim Erwerb einer weiteren nahverwandten Fremdsprache, zu der der Lerner bereits Vorwissen verfügt, kommt es demnach darauf an, das vorhandene Wissen und seine Organisation so zu aktivieren, dass die zwischen den Ausgangssprachen und der Zielsprache liegenden kognitiven Schemata miteinander verbunden werden können. Es geht also darum, das Bekannte mit dem Neuen zu verknüpfen, um das Spezifische der zu erlernenden Sprache verankern zu können (Transferdidaktik). Das Prinzip der (vorwiegend strukturellen) Ähnlichkeiten greift die EuroCom-Initiative auf, die Lehrpläne und Materialien für romanische, germanische und slawische Sprachen entwickelt. Die Interkomprehensionsdidaktik stellt das systemische Vorgehen verschiedener Modelle dar, die auf Ähnlichkeiten von Sprachen aufbauen und bemüht sind, diese in Unterrichtsmethoden umzusetzen. Zu ihren wichtigsten Elementen gehören: die Spontangrammatik, der Mehrsprachenspeicher und der Didaktische Monitor. Das Konzept der Transferdifferenz in der kognitiven Sprachdidaktik erweitert das Interkomprehensionskonzept als didaktisches Prinzip auch im Umgang mit sprachkulturellen Differenzen.
Literatur
- Klein, Horst G. & Stegmann, Tilbert Dídac (2000), EuroComRom – die sieben Siebe. Romanische Sprachen sofort lesen können. Aachen: Shaker.
(Mehr zu diesem Thema im Modul 4 Mehrsprachigkeit und Sprachenerwerb der Multilingua Akademie)
Intercultural / Multicultural / Transcultural
Multikulturalität bezeichnet im weitesten Sinne das Nebeneinander von Kulturen (in offiziell oder inoffiziell multikulturellen Gesellschaften oder Gemeinschaften). Der Begriff interkulturell betont darüber hinaus das Miteinander von Kulturen, das heißt die Prozesse des Austausches und gegenseitigen Verstehens. Im Begriff transkulturell drückt sich des Weiteren ein offenes Kulturverständnis aus, das weniger von klar umrissenen Kulturgrenzen ausgeht, als die beiden anderen Begriffe.
(Gesine Lenore Schiewer)
Die Interkulturelle Hermeneutik geht der Frage nach, wie Verstehensprozesse theoretisch begründet und methodisch angeleitet werden können. Sie ist die Grundlage der Verstehensarbeit in der interkulturellen Literaturwissenschaft und Basis des entsprechenden methodischen Vorgehens in Unterrichtsprojekten sowie didaktischer Konzepte für den Fremdsprachenunterricht (siehe auch hermeneutischer Fremdsprachenunterricht).
Im Ausgang von Ansätzen von Wissenssoziologen wie Max Weber, Alfred Schütz und anderen wird die Einsicht zugrunde gelegt, dass mit einer sorgsamen Textarbeit, die Aufgabe der Interkulturellen Philologie ist, der Prozess des Verstehens einhergehen muss. Das Prinzip der interkulturellen Philologie, der Textarbeit, wird daher ergänzt um das der interkulturellen Hermeneutik und das bedeutet, um eine theoretisch fundierte und methodisch geleitete Verstehensarbeit. Hierfür finden sich bei Karl Mannheim mit einer wesentlichen Differenzierung des Verstehensbegriffs maßgebliche Anregungen. Im Zentrum des ersten analytischen Schrittes stehen dabei immer die formalen Eigenschaften literarischer Texte, die jedoch nicht rein ästhetisch betrachtet, sondern als Dokumente von Weltanschauungen ausgewertet werden (vergleiche Barboza 2009: 57f.). Dies entspricht vielen als interkulturell bezeichneten literarischen Texten insofern, als sie sich häufig durch formal-sprachliche Besonderheiten wie zum Beispiel spezifische Weisen der Mehrsprachigkeit auszeichnen.
(Mehr zu diesem Thema im Modul 7 Kultur- und Literaturwissenschaften der Multilingua Akademie)
Literatur
- Barboza, Amalia (2009), Karl Mannheim. Konstanz: UVK Verlagsgesellschaft.
- Schiewer, Gesine Lenore (2011), Von der Literatursprache zu „Bücher(n), die ihren Lesern Tore öffnen“. Perspektiven der interkulturellen Literaturwissenschaft an der Schnittstelle von Translationswissenschaft und Wissenssoziologie. In: Ewert, Michael; Riedner, Renate & Schiedermair, Simone (Hrsg.), Deutsch als Fremdsprache und Literaturwissenschaft. Zugriffe, Themenfelder, Perspektiven. München: iudicium, 60–78.
(Jörg Roche)
Inter-/Transcultural Studies
Die interkulturelle oder transkulturelle Landeskunde ist ein Ansatz einer in Abgrenzung von früheren Ansätzen der Kultur‑, Länder- oder Landeskunde alternativen Landeskunde. Sie legt den Schwerpunkt auf die Vermittlungsprozesse zwischen den Kulturen und die Behandlung der Konstitution und Veränderbarkeit kultureller Wahrnehmungsmuster (siehe interkulturelle Sprachdidaktik).
Literatur
- Roche, Jörg (2001), Interkulturelle Sprachdidaktik. Eine Einführung. Tübingen: Narr.
(Mehr zu diesem Thema im Modul 5 Sprachenlehren der Multilingua Akademie)
(Gesine Lenore Schiewer)
In textsortenbezogenen Unterscheidungen von Wissenschaft und Literatur – das heißt in der Wissenschaftstheorie, der linguistischen Fach- und Wissenschaftssprachforschung, der Literatur- und Translationswissenschaft – wird davon ausgegangen, dass bestimmten Kommunikationsbereichen mit eindeutigen und definitorisch festschreibbaren Terminologien andere Bereiche gegenüber stehen, in denen dies nicht zutrifft. Literatur und literarische Übersetzungen werden zum zweiten Bereich gerechnet. Deswegen spielen literarische Texte im Zusammenhang des Lernziels des Fremdsprachenunterrichts, interkulturelle Kompetenz zu erwerben, eine wichtige Rolle. Die Interkulturelle Philologie legt die Grundlagen für eine präzise Auseinandersetzung mit dem Bedeutungsspektrum aller Ebenen einer Sprache mit ihrem Lexikon und ihren Schlüsselwörtern, Redeweisen, Ausdrucksnuancierungen, Stilebenen, kommunikativen Gattungen etc., worin eine zentrale Voraussetzung für das Gelingen sprach- und kulturübergreifender Kommunikation besteht: Denn das genaue Verständlichmachen und die „exaktestmögliche“ Abklärung des Gemeinten steht vielfach im Zentrum kommunikativer Bemühungen. Interessante Beispiele finden sich unter anderem in Zusammenhängen von Übersetzung und Dolmetschen, wenn beispielsweise die baskische Organisation ETA je nachdem als ‚Unabhängigkeitsorganisation’ oder als ‚Terrororganisation’ bezeichnet wird.
Literatur
- Schiewer, Gesine Lenore (2011), Von der Literatursprache zu „Bücher(n), die ihren Lesern Tore öffnen“. Perspektiven der interkulturellen Literaturwissenschaft an der Schnittstelle von Translationswissenschaft und Wissenssoziologie. In: Ewert, Michael; Riedner, Renate & Schiedermair, Simone (Hrsg.), Deutsch als Fremdsprache und Literaturwissenschaft. Zugriffe, Themenfelder, Perspektiven. München: iudicium, 60–78.
(Mehr zu diesem Thema im Modul 7 Kultur- und Literaturwissenschaften der Multilingua Akademie)
(Gesine Lenore Schiewer)
Intercultural Dialogue
In einem interkulturellen Dialog (Dialog der Kulturen) werden nicht reine Informationen „verschoben“; auch wenn geläufige Kommunikationsmodelle dieser Auffassung Vorschub leisten, bei denen in technizistischem Duktus von Sendern und Empfänger, Kanälen und Störquellen etc. gesprochen wird. Auch Ansätze der rationalen Diskursethik gehen von verkürzenden Modellen aus, wenn sie das „bessere Argument“ und die Bereitwilligkeit, ihm zu folgen, akzentuieren (vgl. z.B. Annan 2001). Vielmehr handelt es sich um Bemühungen darum, sich verständlich zu machen, zu angemessenen Deutungen zu gelangen, sich durch Rückfragen zu vergewissern, mittels Paraphrasen das bereits Gesagte in anderer Formulierung des gemeinten beziehungsweise aufgefassten Inhalts erneut begreiflich zu machen und dergleichen mehr.
Die Art, wie Menschen ihre objektiven Lebensgegebenheiten mittels Sprache gestalten – die denotative Bedeutung – wird ebenso berücksichtigt wie der subjektiv gemeinte Sinn mit seinen kulturellen Dimensionen. Rechnung getragen wird also sowohl den Freiheiten der Sprachverwendung – das heißt der individuellen oder kreativen Sinngebung – als auch der verständigungssichernden Norm- und Regelorientierung des Sprachgebrauchs. Akzentuiert wird die von allen beteiligten Partnern geleistete kognitive, emotionale und vor allem sprachlich-semantische Arbeit. Im Zentrum steht die interaktive Abklärung des jeweils Gemeinten durch die Kommunikationspartner im Verlauf eines Gesprächs oder der Produktion und Rezeption eines Textes. Es geht mit anderen Worten um den emergenten Prozess der sozialen Aushandlung von Bedeutungen.
Literatur
- Annan, Kofi (2001), Brücken in die Zukunft. Ein Manifest für den Dialog der Kulturen, mit einem Geleitwort von Joschka Fischer, Frankfurt am Main: Fischer.
- Schiewer, Gesine Lenore (2009), Der „Dialog der Kulturen“ als Problem einer interkulturellen Kommunikationskultur. Anmerkungen zur Initiative der Vereinten Nationen. In: Kommunikation und Konflikt: Kulturkonzepte der interkulturellen Germanistik, hg. von Ernest W.B. Hess-Lüttich gemeinsam m. Ulrich Müller, Siegrid Schmidt und Klaus Zelewitz [VI. Intern. Kongreß der GiG Wien 2006] (= Cross Cultural Communication 16 = Publikationen der GiG 11), Frankfurt/Main: Peter Lang, 19–48, (Nachdruck von 2006).
Die intrinsische Referenz betrifft das Verhältnis von Ereigniszeit und Referenzzeit, die kontextuelle das Verhältnis von Referenzzeit und Sprechzeit. In Bezug auf die intrinsische Referenz stimmen Präsens und Präteritum im Deutschen somit überein: Ereigniszeit und Referenzzeit sind simultan. In Bezug auf die kontextuelle Referenz von Referenzzeit und Sprechzeit stimmen dagegen Präsens und Perfekt überein: Die Referenzzeit ist simultan mit der Sprechzeit. Das heißt, das Perfekt kann im Deutschen die Sprechzeit mitumfassen und ist, anders als das Präteritum, nicht vor dieser ausgeschlossen. Die Klassifizierung bezieht sich auf das Modell von Reichenbach und weitere Spezifizierungen durch Ehrich/Vater und Klein.
Literatur
- Ehrich, Veronika & Vater, Heinz (1989), Das Perfekt im Dänischen und im Deutschen. In: Abraham, Werner & Janssen, Theo (Hrsg.), Tempus — Aspekt — Modus: Die lexikalischen und grammatischen Formen in den germanischen Sprachen. Tübingen: Niemeyer, 103 — 132.
- Klein, Wolfgang (1994), Time in Language. London, New York: Routledge.
- Reichenbach, Hans (1947), Elements of Symbolic Logic. Berkeley: University of California Press.
(Mehr zu diesem Thema im Modul 1 Sprachenlernen und Kognition der Multilingua Akademie)
(Ruth Albert)
Introspection
Die Introspektion stellt eine Forschungsmethode dar, die auf Selbstbeobachtung beruht. In der Linguistik und der Sprachlehr- und ‑lernforschung bezeichnet der Begriff die Beobachtung des eigenen Sprachverhaltens oder allein durch die Betrachtung der eigenen Sprachverwendung gewonnene Feststellungen über die sprachliche Richtigkeit von Ausdrücken. Wenn ein kompetenter Sprecher/eine kompetente Sprecherin des Deutschen wissen will, wie die Präteritumsform von ich singe lautet, dann kann er/sie das durch Introspektion herausfinden und benötigt keine aufwändige empirische Untersuchung einer repräsentativen Stichprobe. Abweichungen von der Sprachnorm sind jedoch trotz ausgeprägtem „Sprachgefühl“ nicht ausgeschlossen. So genügt die Introspektion nicht, um über die Präteritumverteilung im deutschen Sprachgebiet Aussagen zu machen.
Literatur
- Albert, Ruth & Marx, Nicole (2014), Empirisches Arbeiten in Linguistik und Sprachlehrforschung. Anleitung zu quantitativen Studien von der Planungsphase bis zum Forschungsbericht (2. überarbeitete Auflage). Tübingen: Narr.
(Mehr zu diesem Thema im Modul 3 Propädeutikum wissenschaftliches Arbeiten der Multilingua Akademie)
(Isabel Hoffmann)
involvement
Involviertheit (involvement) bezeichnet ein unmittelbares, nicht-distanziertes Erleben mit starker emotionaler Beteiligung (vergleiche Appel & Koch 2002: 150). Emotionen sind dabei nach Frijda (1988) und Lang (1994) als in Netzwerke eingebettete Handlungsdispositionen zu definieren, die den menschlichen Organismus auf die Anforderungen einer sich verändernden Umgebung einstellen. Das heißt, dass mit dem Auftreten eines bedeutsamen Reizes affektive Prozesse angeregt werden, die das Fühlen beeinflussen, und uns gegebenenfalls zu einer entsprechenden Handlung motivieren. Emotionale Reaktionen umfassen demzufolge Konkomitanten auf den Ebenen des Verhaltens, des subjektiven Erlebens und der psychologischen Körpervorgänge (vergleiche Keil & Eder 2005: 225–227). Zum Zeitpunkt der vollkommenen Involviertheit tritt die Wahrnehmung des vermittelnden Mediums in den Hintergrund, sodass die virtuelle Umgebung als real empfunden wird.
Literatur
- Appel, Markus & Erik Koch (2002), Aspekte des Leseerlebens: Skalenentwicklung. Zeitschrift für Medienpsychologie 14: 4, 149–154.
- Frijda, Nico (1988), The Laws of Emotion. American Psychologist 34: 5, 349–358.
- Lang, Peter (1994), The motivational organization of emotion: Affect-reflex connections. In: Van Goozen, Stephanie; Van de Poll, Nanne & Sergeant, Joseph (Eds.), Emotions: Essays on Emotion Theory, 61–63.
- Keil, Andreas & Eder, Jens (2005), Ein Netzwerkmodell audiovisueller Emotionslenkung. In: Grau, Oliver & Keil, Andreas (Hrsg.), Mediale Emotionen: Auf dem Weg zu einer transdisziplinären Emotionsforschung. Frankfurt am Main: Fischer Verlag, 224–241.
(Mehr zu diesem Thema im Modul 9 Grundlagen der Medienwissenschaft und Mediendidaktik der Multilingua Akademie)
(Jörg Roche)
Iterativität bezeichnet die Markierung der Wiederholung und Wiederholbarkeit von temporalen Ereignissen. Im Französischen wird dazu beispielsweise das Imparfait (Vergangenheitsform) genutzt.
(Mehr zu diesem Thema im Modul 1 Sprachenlernen und Kognition der Multilingua Akademie)