(Jörg Roche)
Die Spontangrammatik wird als eine flüchtige, instinktive Hypothesengrammatik verstanden. Sie entsteht bei der ersten Begegnung mit einer einigermaßen interkomprehensiblen oder transparenten Sprache, und zwar im Moment des ersten Dekodierungsvorgangs der neuen sprachlichen Struktur. Der Lerner erkennt bedeutungshaltiges lexikalisches Material und gegebenenfalls weitere Regularitäten in und zwischen den erworbenen Sprachen. Die Spontangrammatik wird im weiteren Lernprozess modifiziert, sofern sich das deklarative und prozedurale Wissen auf den systemischen Charakter der Sprachen einstellt und seinen Umfang erweitert.
Literatur
Marx, Nicole (2008), Is it necessary to train learners in interlingual comprehension strategies? In: Gibson, Martha; Hufeisen, Britta & Personne, Cornelia (Hrsg.). Mehrsprachigkeit: Lernen und lehren, Multilingualism: learning and instruction, Le Plurilinguisme: appendre er enseigner, O Plurilinguismo: aprender ensinar. Selected papers from the L3 conference in Freiburg/Switzerland 2005. Baltmannsweiler: Schneider Verlag Hohengehren, 135–150.
Meißner, Franz-Joseph (2004), Transfer und Transferieren. Anleitungen zum Interkomprehensionsunterricht. In: Klein, Horst G. & Rutke, Dorothea (Hrsg.), Neuere Forschungen zur Europäischen Interkomprehension. Aachen: Shaker, 39–66. ➥
In der Interkomprehensionsdidaktik wird der Begriff der “Hypothesengrammatik” benutzt. Gemeint ist das Konstrukt, welches ein Mensch im Moment der verstehenden Begegnung mit einer ‘fremden’ Sprache bildet (bzw. bilden kann). Die H. entsteht im Zusammenhang mit der Disambiguierung der unbekannten Struktur (Wort, Ligalex, Verwendung des Modus, des Tempus usw.). Die Hypothese bedarf — wie die Interkomprehensionsdidaktik betont — selbstverständlich der Verifikation (die auf unterschiedliche Art und Weise erfolgen — personell oder mithilfe von Nachschlagewerken oder Ähnlichem erfolgen kann). Die Interkomprehensionsdidaktik, welche sich seit den 1990er Jahren international entwickelt hat, ist empirisch durch zahlreiche Arbeiten (allein Frankreich über 60 Dissertationen und Habilitationen) abgesichert.