(Jörg Roche)
Background Studies bezeichnen faktenbasiertes, größtenteils dekontextualisiertes und oft stereotypes Kultur- und Landeskundewissen, das den Sprachunterricht (oft fakultativ) ergänzen soll.
Literatur
- Byram, Michael (1989), Cultural Studies in Foreign Language Education. Clevedon / Philadelphia: Multilingual Matters.
(Mehr zu diesem Thema im Modul 7 Kultur- und Literaturwissenschaften der Multilingua Akademie)
(Jörg Roche & Svenja Uth)
Kreolvarietäten können analog zum Komplexitätsgrad vereinfachend als Basilekt (rudimentäre oder radikale Varietät), Mesolekt (mittlere Varietät) und Acrolekt (elaborierte Varietät) klassifiziert werden. Entsprechungen zum Sprachenerwerb ergeben sich aus der gemeinsamen L1-Basis der radikalen Formen des Kreol und des frühen L2-Erwerbs. Transfererscheinungen aus vorerworbenen Sprachen, morphologische Simplifizierungen und andere universelle Strategien bestimmen sie. Die Merkmale entsprechen damit denen der basic variety (Klein & Perdue 1997)des Spracherwerbs.
Die Kreolisierung beschreibt die Entstehung und Verfestigung einer eigenständigen Sprache und ist daher also mit Fossilisierungsprozessen vergleichbar. Inwieweit die Basilekte immer der vollen basic variety im L2-Erwerb entsprechen, ist bisher noch nicht geklärt. Kreolvarietäten (in karibischen Sprachen) haben über mehrere Jahrhunderte in wenig veränderter Form bestanden und sind gegenüber Restrukturierungen, auch bei vorhandener Diglossie, sehr resistent (siehe auch pragmatischer und syntaktischer Modus).
Literatur
- Schwegler, Armin (2000), The myth of decreolization: The anomalous case of Palenquero. In: Neumann-Holzschuh, Ingrid & Schneider, Edgar W. (Hrsg.), Degrees of restructuring in Creole languages. Amsterdam & Philadelphia: John Benjamins, 409–436.
- Winford, Donald (2000), “Intermediate“ creoles and degrees of change in creole formation. The case of Bajan. In: Neumann-Holzschuh, Ingrid & Schneider, Edgar W. (Hrsg.), Degrees of restructuring in Creole languages. Amsterdam & Philadelphia: John Benjamins, 215–246.
(Mehr zu diesem Thema im Modul 4 Mehrsprachigkeit und Sprachenerwerb der Multilingua Akademie)
Basic Domain
Basisdomänen sind nicht weiter reduzierbar und dienen als Grundlage für komplexere Wissensdomänen. Sie werden nicht mit Begriffen anderer Domänen gebildet. Ihre Dimensionalität ist ein wichtiges Charakteristikum. Sie können ein- oder mehrdimensional sein, ferner konzeptionell und lokal.
Basisdomänen werden aus der sensomotorischen und subjektiven Erfahrung abgeleitet (externe und interne Welterfahrung), d.h. sie entspringen den emotiv-sensorischen Bereichen. Dazu gehören unter anderem Systeme der Raumwahrnehmung, sowie ein Farbwahrnehmungssystem, ein auditives Wahrnehmungssystem, ein Zeitwahrnehmungssystem oder auch ein emotionales Wahrnehmungssystem. Basisdomänen sind zum Beispiel die Domänen RAUM, ZEIT, FARBE, EMOTION und SCHMERZ. Einige sind eindimensional (die Domäne ZEIT). Andere können zwei- bis dreidimensional (RAUM und FARBE) sein.
Langacker stellt neben die Basisdomänen abstrakte Domänen (abstract domains). Die Basisdomänen unterscheiden sich von abstrakten Domänen wie zum Beispiel LIEBE oder TRAUER dadurch, dass sie auf direkten physischen Erfahrungen basieren und wiederum Basis für die abstrakten Domänen sind. Konzepte der abstrakten Domäne sind auch vergleichsweise komplexer.
Domänen sind in bestimmte Hierarchiestufen gegliedert. Das Konzept Glatze beruht auf der Domäne KOPF, die wiederum auf der Domäne KÖRPER aufbaut. Die Hierarchie lässt sich vom Konzept Glatze bis zur Basisdomäne RAUM zurückverfolgen. Die Domäne RAUM (e: space) entspringt direkt der sensomotorischen Erfahrung der Welt: Visuelle Wahrnehmung und Erfahrung von Bewegung und Berührung.
Wie die Hierarchie des Konzepts Glatze aufgebaut ist, zeigt das folgende Bild:
(Vgl.: Figure 7.5: Location of the lexical concept bald head (Evans/ Green 2006 : 232))
Literatur
- Evans, Vyvyan/ Green, Melanie (2006), Cognitive Linguistics: An Introduction. Edinburgh: Edinburgh University Press, 230–239.
- Wildgen, Wolfgang (2008), Kognitive Grammatik. Berlin: de Gruyter.
(Jörg Roche, Stefanie Haberzettl, Gulio Pagonis, Moiken Jessen & Nicole Weidinger)
Um sprachliche Kompetenzen bei Kindern besser erfassen und beschreiben zu können, wurden im Rahmen des Projekts PROSA (Ehlich; Bredel & Reich 2008) auf Grundlage einer Reihe unterschiedlicher Untersuchungen sprachliche Basisqualifikationen definiert, die beim sprachlichen Handeln eng miteinander interagieren. Die folgenden Basisqualifikationen werden unterschieden: die rezeptiven und produktiven phonischen Qualifikationen, die pragmatischen Qualifikationen 1 und 2, die semantischen Qualifikationen, die morphologisch-syntaktischen Qualifikationen, die diskursiven Qualifikationen, die literalen Qualifikationen. Die Basisqualifikationen haben charakteristische Entwicklungszeitfenster, innerhalb derer sie einsetzen und ausgebildet werden.
Literatur
Ehlich, Konrad; Bredel, Ursula & Reich, Hans H. (2008), Referenzrahmen zur altersspezifischen Sprachaneignung. Forschungsgrundlagen Band II. Berlin: Bundesministerium für Bildung und Forschung BMBF.
(Mehr zu diesem Thema im Modul 3 Propädeutikum wissenschaftliches Arbeiten der Multilingua Akademie)
(Jörg Roche)
Basic Variety
Die Basisvarietät bezeichnet die Grundstufe der erwachsenen Lernersprache im „ungesteuerten“ Spracherwerb. Sie umfasst ein intuitives Inventar pragmatischer Prinzipien und gilt als eine Kompetenzstufe, die nahezu jeder Lerner im ungesteuerten Zweit- oder Fremdspracherwerb erreicht. Dabei verbleiben viele Lerner auf dieser stark von situativen Faktoren beeinflussten Kompetenzstufe und bauen ihre Kenntnisse lediglich im lexikalischen Bereich aus (Fossilisierung, Stabilisierung). Der Wortschatz der Basisvarietät ist durch unflektierte Autosemantika gekennzeichnet und beinhaltet nur wenige Funktionswörter. Wortbildung findet daher auch vor allem im Bereich der Komposition statt. Derivationen sind hingegen seltener. Die syntaktische Struktur ist selten hypotaktisch, sondern in den meisten Fällen asyndetisch gegliedert. Das Lexikon der Basisvarietät besteht größtenteils aus Elementen der Zielsprache, mit einzelnen Entlehnungen aus der Erstsprache.
Die wichtigsten Strukturierungsprinzipien sind die folgenden:
- Bekannte und gegebene Information steht vor neuer Information.
- Thematisierende Elemente stehen vor fokussierenden Elementen.
- Bedeutungsmäßig zusammengehörige Elemente stehen möglichst nahe beieinander.
- Orientierende Elemente wie Orts- oder Zeitangaben stehen am Anfang einer
Äußerung.
- In einer Reihung von Nomen hat das erste Element den größten Einfluss (Kontrollprinzip, Subjektfunktion).
- Ereignisse werden nach ihrer tatsächlichen (chronologischen) Reihenfolge berichtet.
- Die Betonung bestimmt, ob es sich um eine Aussage, eine Frage oder eine Anweisung handelt.
- Die Betonung markiert auch die fokussierten Elemente.
- Funktionale Elemente wie kein, viel, alle werden einheitlich vor (oder einheitlich hinter) die von ihnen bestimmten Elemente gestellt, zum Beispiel viel arbeit (Quantifizierung), nix verstehn (Negation).
Literatur
- Klein, Wolfgang & Perdue, Clive (1997), The basic variety (or: Couldn’t natural languages be much simpler?). Second Language Research 13: 4, 301–347.
(Mehr zu diesem Thema im Modul 4 Mehrsprachigkeit und Sprachenerwerb der Multilingua Akademie)
(Enikő Öveges)
Motivational Analysis
Eine Bedarfsanalyse ist Grundlage der Lehrplanentwicklung und der Umsetzung von Lehrplänen und auch der aktuellen Unterrichtsplanung. Sie kann in traditionellen (instruktionistisch geprägten Lehrplänen) in drei Phasen unterteilt werden: Input (Auswahl der sprachlichen Inhalte), Prozess (Methodik der Vermittlung) und Output (Lernergebnisse). Drei Ansätze lassen sich für die Entwicklung eines Curriculums unterscheiden: (1) forward, (2) central und (3) backward design. Als forward design gilt der Ansatz des Europarats aus den 1970er Jahren oder der inhaltsbasierte Fremdsprachenunterricht (Content-Based Language Teaching). Das central design setzt beim Prozess an (Lehraktivitäten, Methoden) und leitet Input und Output von der Unterrichtsmethodik ab. Beispiele dafür sind der Silent Way oder das Counselling Learning. Das backward design geht vom Output aus. Das heißt, dass zunächst Aussagen über die erforderlichen Ergebnisse getroffen werden.
(Mehr zu diesem Thema im Modul 6 Unterrichtsmanagement der Multilingua Akademie)
(Sandra Drumm)
Concept
Als Begriff definiert die DIN-Norm 2342 (1992: 1–3) eine „Denkeinheit, die aus einer Menge von Gegenständen unter Ermittlung der diesen Gegenständen gemeinsamen Eigenschaften mittels Abstraktion gebildet wird“. Die Bedeutung eines Begriffs ist die Summe aller kritischen, das heißt gemeinsamen Merkmale. Der Begriffsumfang wiederum meint die Gesamtheit aller in einem Begriff zusammengefassten Einzelphänomene. Ein Begriff kann dabei mit verschiedenen Termini belegt werden, wenn verschiedene Definitionen gegenüberstehen. Zum Beispiel haben die Termini Tracheata und Antennata den gleichen Begriffsumfang. Sie benennen die beiden Tiergruppen Tausendfüßler und Insekten. Im Fall Tracheata wird hervorgehoben, dass die hierunter verstandenen Tiere Tracheen besitzen, im Fall Antennata darauf, dass diese nur ein Antennenpaar haben. Sie haben den gleichen Begriffsinhalt, weil die beiden Termini dieselben invarianten Attribute besitzen. (vgl. Graf 1989: 13f.).
Literatur
- Baxmann-Krafft, Eva-Maria (Hrsgg.) (1999), Normen für Übersetzer und technische Autoren. DIN, Deutsches Institut für Normung e.V. Berlin: Beuth.
- Graf, Dittmar (1989), Begriffslernen im Biologieunterricht der Sekundarstufe 1. Empirische Unter-suchungen und Häufigkeitsanalysen. Frankfurt am Main: Peter Lang.
(Mehr zu diesem Thema im Modul 8 Berufs‑, Fach- und Wissenschaftssprachen der Multilingua Akademie)
(Jörg Roche)
Berufssprache bezeichnet eine Teilmenge des Systems der Fach- und Bildungssprachen und ist in allen Kontexten, von der Forschung bis zum Lehrplan und den Studiengängen, als Sammelbegriff für variantenreiche beruflich orientierte Kommunikationsformen zu verstehen. Sie bezeichnet damit nicht nur unterschiedliche horizontale und vertikale Schichtungen eines wichtigen Bereichs der Fachsprachen, sondern vor allem funktionale, pragmatische. Berufssprache umfasst alle funktionalen und pragmatischen Schichtungen der Fachsprache, die für den Erwerb und die Ausführung berufsbezogener Aufgaben relevant sind. Gelegentlich wird diese Schnittmenge jedoch als Ersatzbezeichnung für Fachsprachen, im Sinne einer Benennung eines spezifischen (einzelnen) Registers, missverstanden. Der Begriff Berufssprache ersetzt aber nicht die Fachsprache. Auch Fachsprache bezeichnet schließlich kein monolithisches Konzept eines fixierten Schubladensystems von vertikalen und horizontalen Schichten. Vielmehr sind Fachsprachen vor allem durch ihre pragmatischen Funktionen definiert. Das Fachsprachen-Model von Göpferich (Göpferich 1995, S. 124) bildet dieses Konzept und seine Vielfalt bisher am deutlichsten ab.
Berufssprache ist also ein generischer Sammelbegriff für alle möglichen Stratifizierungen in Bezug auf Sprecher – Hörer – Gegenstandskonstellationen und die entsprechenden sprachlichen Mittel und sprachaffinen Medien. Damit sind auch alle Kompetenz- und Fertigkeitsbereiche umfasst. Anders als „Bildungssprache“ ist „Berufssprache“ ein wesentlich weniger aufgeheizter politischer Begriff. Bildungssprache kann analog zum Begriff der Berufssprache gefasst werden: Bildungssprache umfasst alle funktionalen und pragmatischen Schichtungen der Fachsprache, die für den Erwerb und die Ausführung bildungsbezogener Aufgaben relevant sind. Die aus dem Kanadischen übertragenen bildungspolitischen Begriffe CALP und BICS (cognitive academic language proficiency und basic interpersonal communication skills vgl. Cummins 1980) werden diesem linguistischen Konzept von Bildungssprache nicht gerecht, weil sie einem lange überholten Konzept von fixierten sprachlichen Registern verhaftet sind (vgl. Roche 2018).
Literatur
- Cummins, James (1980), The construct of language proficiency in bilingual education. In: Alatis, James E. (Ed.), Current Issues in Bilingual Education. Washington: Georgetown University Press, 81–103.
- Göpferich, S. (1995), Textsorten in Naturwissenschaften und Technik. Pragmatische Typologie – Kontrastierung – Translation. Tübingen: Narr.
- Roche, Jörg (2018), Faktoren der Mehrsprachigkeit. In: Roche, Jörg & Terrasi-Haufe, Elisabetta (Hrsg.), Mehrsprachigkeit und Sprachenerwerb. Tübingen: Narr [Kompendium DaF/DaZ; 4], 67–78.
(Agnes Einhorn)
Reference Standard
Bewertung bedeutet immer auch Vergleichen. Die Ergebnisse im Bewertungsprozess werden nämlich immer mit einer bestimmten Norm verglichen. Es existieren dabei drei unterschiedliche Normen (Rheinberg 2001): (1) die sachbezogene oder kriteriums-/kriterienorientierte Norm (Ergebnisse werden mit den Anforderungen oder Curricula verglichen), (2) die soziale Norm oder normorientierte Bewertung (Ergebnisse werden mit den Leistungen der Mitschülerinnen und Mitschüler verglichen) und (3) die individuelle Norm (die Leistungen werden mit den früheren eigenen Leistungen der Schülerinnen und Schüler verglichen). Alle drei Bezugsnormen haben Vorteile, alle drei können also mit Recht verwendet werden, man kann aber gewisse Kritikpunkte nicht verschweigen (Rheinberg 2001, Schott & Ghanbari 2012). Die kriteriumsorientierte Bewertung scheint gerecht und objektiv zu sein, es ist aber nicht immer einfach, Lernprodukte oder Testergebnisse mit abstrakten Lernzielkatalogen oder Standards zu vergleichen. Beim Vergleich mit den Mitlernern (Normorientierung) wird die individuelle Leistung nicht gewürdigt. Die individuelle Bezugsnorm hat eine fördernde und motivierende Funktion, sie kann aber auch falsche Botschaften vermitteln, weil dadurch auch prinzipiell schwache Leistungen gewürdigt werden können, wenn eine Tendenz zur Verbesserung festzustellen ist.
Literatur
- Rheinberg, Falko (2001), Leistungsbeurteilung im Schulalltag: Wozu vergleicht man was womit? In: Weinert, Franz E. (Hrsg.), Leistungsmessung in Schulen. Weinheim: Belz, 59–71.
- Schott, Franz & Ghanbari, Shahram Azizi (Hrsg.) (2012), Bildungsstandards, Kompetenzdiagnostik und kompetenzorientierter Unterricht zur Qualitätssicherung des Bildungswesens. Eine problemorientierte Einführung in die theoretischen Grundlagen. Münster: Waxmann.
(Mehr zu diesem Thema im Modul 6 Unterrichtsmanagement der Multilingua Akademie)
(Jörg Roche)
BICS sind grundlegende sprachliche Fähigkeiten, die Sprecher für die Bewältigung alltäglicher Kommunikationssituationen benötigen. BICS entwickeln sich im sozialen Umfeld eines Sprachenlerners. Sie sind kontextgebunden und stellen geringe kognitive Anforderungen an den Sprecher. Bedeutungen werden über Signale aus dem Kontext und Signale der Gesprächspartner (Gestik, Mimik, Intonation) erschlossen. Zur Bewältigung anspruchsvoller sprachlicher Aufgaben ist hingegen eine cognitive academic language proficiency (CALP) notwendig. Das Modell von Cummins ist jedoch umstritten, weil sich die Begriffe nicht klar definieren lassen und eine empirische Überprüfung nicht möglich ist.
Literatur
- Cummins, James (1982), Die Schwellenniveau- und Interdependenz-Hypothese: Erklärungen zum Erfolg zweisprachiger Erziehung. In: Swift, James (Hrsg.), Bilinguale und multikulturelle Erziehung. Würzburg: Königshausen & Neumann, 34–43.
- Cummins, James (2000), Language, Power and Pedgogy: Bilingual Children in the Crossfire. Clevedon: Multilingual Matters.
-
Roche, Jörg (2018): Faktoren der Mehrsprachigkeit. In: Roche, Jörg & Terrasi-Haufe, Elisabetta (Hrsg.), Mehrsprachigkeit und Sprachenerwerb. Tübingen: Narr [Kompendium DaF/DaZ; 4], 67–78.
(Mehr zu diesem Thema im Modul 8 Berufs‑,Fach- und Wissenschaftssprachen der Multilingua Akademie)
Picture and Text Processing
Die gemeinsame Verarbeitung von Text und Bild ist eine der wesentlichen Anforderungen des multimedialen Lernens. Eine besonders einflussreiche Erklärung bietet das integrated model of text and picture comprehension (Schnotz 2014) an. Dieses stellt dar, wie Lerner Text und Bilder verstehen, die ihnen gemeinsam in verschiedenen Sinnesmodalitäten präsentiert werden.
Abb. 1: Integriertes Modell der Text- und Bildverarbeitung von Schnotz (2005:57)
Das Model basiert auf folgenden Annahmen:
1. Das Text-Bild-Verstehen findet in einer kognitiven Architektur statt, welche modalitätsspezifische sensorische Register als Systeme zur Informationsaufnahme, ein Arbeitsgedächtnis mit begrenzter Kapazität und ein Langzeitgedächtnis umfasst.
2. Die verbalen und die bildhaften Informationen werden in das Arbeitsgedächtnis durch visuelle und auditive Kanäle übertragen. Die Kapazität der Kanäle zum Verarbeiten und Übertragen von Informationen ist begrenzt.
3. Die weitere semantische Verarbeitung findet im Arbeitsgedächtnis in zwei verschiedenen Subsystemen statt (descriptive und depictive). Dabei wird gesprochener oder geschriebener Text als erstes im descriptive subsystem verarbeitet und danach im depictive subsystem. Bilder (visuell und auditiv ) werden zuerst im depictive subsystem verarbeitet und danach im descriptive subsystem.
4. Das Verständnis von Text und Bild ist ein aktiver Prozess der Kohärenzbildung.
Beim Verstehen bilden die Lerner kohärente Wissensstrukturen von den verfügbaren verbalen und bildlichen Informationen und ihrem Vorwissen.
Literatur:
Colman, Andrew M. (2009), Oxford Dictionary of Psychology. Oxford: Oxford University Press.
Schnotz, Wolfgang (2014), Integrated model of text and picture comprehension. In: Mayer, Richard E. (Ed.), The Cambridge Handbook of Multimedia, 72–103.
Schnotz, Wofgang (2005), An integrated model of text and picture comprehension. In: Mayer, Richard E. (Ed.), The Cambridge Handbook of Multimedia Learning. Cambridge: Cambridge University Press, 49–70.
(Ferran Suñer Muñoz & Jörg Roche)
Der Begriff des Bildschemas geht auf Johnson (1987) zurück, der es als rekurrentes, immer wieder vorkommendes sensorisches Muster optischer, auditiver, haptischer, motorischer oder olfaktorischer Natur beschreibt. Im Gegensatz zu mentalen Modellen sind Bildschemata generisch in unterschiedlichen Situationen anwendbar. In unseren körperlichen Interaktionen mit der Umwelt erkennen wir sie und speichern sie in schematischer Form. Aus der körperlichen Bewegung, der Manipulation von Objekten, der Wahrnehmung von Druck und externen Kräften etc. leiten wir Bildschemata ab, die uns dann als eine Art generische Vorlage zur Strukturierung konzeptueller Inhalte zur Verfügung stehen. Im Beispielsatz Die Polizei überwacht die Demonstranten wird das Bildschema der Vertikalität verwendet, um die Machtposition der Polizei zum Ausdruck zu bringen.
Literatur
- Johnson, Mark (1987), The Body in the Mind: The Bodily Basis of Meaning, Imagination, and Reason. Chicago: University of Chicago Press.
(Mehr zu diesem Thema im Modul 1 Sprachenlernen und Kognition der Multilingua Akademie)
Bilingualism
Die Beherrschung von zwei oder mehreren Sprachen wird allgemein als Bi- oder Multilingualismus bezeichnet, dabei kann sich der Begriff auf Individuen (individueller Bilingualismus) oder auch auf ganze Gesellschaften (gesellschaftlicher Bilingualismus) beziehen. Allerdings wird mit der Bezeichnung ‚bilingual’ nicht genau beschrieben, welcher Beherrschungsgrad gemeint ist. Das Spektrum reicht von einfacher Lesekompetenz in der zweiten Sprache bis hin zu muttersprachlicher Kompetenz in zwei oder mehr Sprachen. Umgangssprachlich bedeuten die Begriffe eine hohe Kompetenz in den betreffenden Sprachen. Eine schlechte Beherrschung von zwei oder mehreren Sprachen nennt man auch Semilingualismus.
SPRACHERWERB
Literatur
- Riehl, Claudia Maria (2014), Mehrsprachigkeit. Eine Einführung. Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft.
(Mehr zu diesem Thema im Modul 2 Kognitive Linguistik der Multilingua Akademie)
(Jörg Roche)
Ecological Model
Das biotisch-ökologische Modell des Multilingualismus von Aronin & Ó Laoire beschreibt Mehrsprachigkeit als ein ausgleichendes, gebrauchsbasiertes System der Sprachen im Kontext der Identitätsentwicklung einer Person. Es basiert auf der Annahme, dass Mehrsprachigkeit eine gewisse Anpassungsfähigkeit eines Sprechers oder einer Sprecherin erfordert und sich somit einzigartige Bezüge zur Identität des Sprechers beziehungsweise der Sprecherin und seinen oder ihren Zielen und Motiven entwickeln, die sich ständig den Bedingungen der Umwelt und den Interessen der Person anpassen. Aus dieser Interaktion entstehen Kontaktphänomene der Sprachen inklusive Erscheinungen der Interferenz, des Codewechsels und des Transfers. Da Sprachgebrauch und damit Stärke und Bedeutung einer Sprache je nach Bedarf, Schwerpunktsetzungen und Emotionen variieren, kommt es ständig zu Attritions- und Neuentwicklungsprozessen.
Literatur
- Aronin, Larissa & Ó Laoire, Muiris (2004), Exploring multilingualism in cultural contexts: towards a notion of multilinguality. In: Hoffmann, Charlotte & Ytsma, Jehannes (Hg.). Trilingualism in family, school, and community. Bilingual education and bilingualism 43. Clevedon: Multilingual Matters, 11–29.
(Mehr zu diesem Thema im Modul 4 Mehrsprachigkeit und Sprachenerwerb der Multilingua Akademie)
(Agnes Einhorn & Eva Major)
Die Forschung zur Qualität von Lehrkräften nennt zwei Argumentationsmöglichkeiten als Ausgangspunkt: die Bright Person Hypothesis (BPH) und die Knowledgeable Teacher Hypothesis (KTH). Die Bright Person Hypothesis (BPH) besagt, dass gute Lehrerinnen und Lehrer gewisse stabile kognitive Merkmale bereits aufweisen, bevor sie den Berufsweg des Lehrers oder der Lehrerin einschlagen. Die kognitiven Fähigkeiten am Beginn der Lehrerausbildung bestimmen auf Grund dieser Hypothese die spätere Unterrichtsqualität (Kennedy et al. 2008). Dementsprechend sollte man dem Auswahlprozess und der Anfangsphase der Lehrerausbildung mehr Aufmerksamkeit schenken.
Literatur
- Kennedy, Mary. M.; Ahn, Soyeon & Choi, Jinyoung (2008), The value added by teacher education. In: Cochran-Smith, Marilyn; Feiman-Nemser, Sharon; McIntyre, D. John & Demers, Kelly E. (Eds.), Handbook of Research on Teacher Education (3rd ed.). New York, NY: Routledge, 1249–1273.
(Mehr zu diesem Thema im Modul 6 Unterrichtsmanagement der Multilingua Akademie)
(Kees de Bot)
Das Broca-Areal befindet sich im Frontallappen der linken Gehirnhälfte (Hemisphäre)und ist an der Sprachproduktion beteiligt. Läsionen am Broca-Areal führen zu mühevollem, nicht-flüssigem und telegraphischem Sprechen bei verhältnismäßig gut erhaltener Sprachwahrnehmung (Broca-Aphasie).
(Mehr zu diesem Thema im Modul 1 Sprachenlernen und Kognition der Multilingua Akademie)
(Agnes Einhorn & Anna Majorosi)
Burn-Out ist eine persönliche, emotionale Krise, ein depressiver Zustand, deren Symptome vor allem Erschöpfung, Unzufriedenheit und Apathie sind. Unterschiedliche Gründe können zur Ausbildung des Burn-Out-Syndroms führen, unter anderem Monotonie, Stress, Überforderung oder Perfektionismus. Bei Lehrern und Lehrerinnen taucht dieses Syndrom vergleichsweise häufig auf, aber die Erneuerung der täglichen Routine kann bei der Bekämpfung des Burn-Outs helfen. Aus dieser Überlegung heraus können Fortbildungen und Netzwerke für Lehrer und Lehrerinnen als eine Art Prävention gegen Burn-Out gesehen werden.
(Mehr zu diesem Thema im Modul 6 Unterrichtsmanagement der Multilingua Akademie)
(Tabea Andrä)
Business English as a lingua franca
Wenn von Englisch als Lingua Franca im Zusammenhang mit einem Unternehmen die Rede ist, dann geht es meist um Business Englisch als Lingua Franca (BELF). Bemerkenswert ist, dass es sich dabei nicht um eine monolithische oder homogene Variante des Englischen handelt, sondern die Sprecherinnen und Sprecher einer Lingua Franca immer auch ihr eigenes Sprachwissen aus der L1 einbringen. Es treffen also viele unterschiedliche Kompetenzen im Englischen und unterschiedliche sprachliche und kulturelle Einflüsse aufeinander. Folglich stellt BELF eigentlich eine multilinguale Varietät dar, da auch die Ausgangssprachen der Sprecher über das Englische vermittelt, präsent sind. Diese Rückgriffe auf das jeweils eigene Sprachwissen der BELF-Sprecherinnen und ‑Sprecher kann zum Code-Switching führen. Zudem ist es aber auch möglich, dass die Sprecherinnen und Sprecher für die Lingua Franca neue Redewendungen erfinden, da sie in dieser Sprache relativ kreativ sein können, weil sie sich nicht so sehr an die Regeln zum Beispiel des Englischen gebunden fühlen.
BELF entsteht in sozialen Situationen als soziale Interaktion. Sie stellt also eine linguistische und fachliche Ressource dar, die von international handelnden Geschäftsleuten variabel genutzt wird. Für die Nutzung von BELF ist nicht etwa die perfekte Beherrschung der englischen Grammatik notwendig, sondern die Fähigkeit, abhängig von der Situation und dem Aufgabenbereich kommunizieren zu können. Es handelt sich also um eine spezialisierte, funktionale Sprache, die für die Mitarbeitenden des Unternehmens verständlich ist, aber für Außenstehende zum Teil unverständlich bleibt, da ihnen das notwendige gemeinsame Wissen fehlt. Diese Sprachvarietät ist also kontextabhängig und auf bestimmte Situationen und Konstellationen der Arbeit in einem bestimmten Unternehmen ausgerichtet. Sie umfasst idiosynkratische, firmeninterne und als selbstverständlich betrachtete Verwendungen von Wörtern, Formulierungen, Abkürzungen und Geschichten, die nur von den Mitarbeitenden verstanden werden.
Literatur
- Brannen, Mary Yoko & Doz, Yves L. (2012), Corporate Languages and Strategic Agility: Trapped in your Jargon or lost in Translation? California Management Review 54: 3, 77–97.
- Cogo, Alessia & Yanaprasart, Patchareerat (2018), “English is the language of business”: An exploration of language ideologies in two European corporate contexts. In: Sherman, Tamah & Nekvapil, Jiří (Eds.), English in Business and Commerce: Interactions and Policies. English in Europe. Volume 5. Boston/Berlin: de Gruyter (Language in Social Life, 14), 96–116.
- Kankaanranta, Anne; Karhunen, Päivi & Louhiala-Salminen, Leena (2018), “English as a corporate language” in the multilingual reality of multinational companies. Multilingua 37: 4, 331–351.