(Jörg Roche & Ferran Suñer Muñoz)
Raum- und Zeitkonzepte werden in unterschiedlichen Kulturen auf verschiedene Weise sprachlich umgesetzt. In vielen Kulturen wird Zeit als linearer (räumlicher) Vorgang verstanden. Der Sprecher befindet sich in einem präsentischen Zentrum, von dem aus er in seinem Bezugssystem (Origo) nach vorne und nach hinten in die Zeit blickt. Die Reihung der Zeitabschnitte ergibt sich dabei entweder aus der äußersten Vergangenheit zur äußersten Zukunft oder auch „gegenläufig“ durch die Änderung der Blickrichtung des Sprechers in die Zukunft oder in die Vergangenheit. Die Blickrichtung des Sprechers ist damit eine lokalisierbare (er blickt nach vorne oder nach hinten, zum Beispiel facing hard times). Analog zu den entsprechenden Raummarkierungen kann man im Deutschen eine freie Parklücke zwischen zwei Autos als vor oder hinter dem Auto bezeichnen, je nachdem, welches der Autos im sekundären Bezugssystem (sekundäre Origo) der Referenzpunkt ist oder ob das primäre Bezugssystem gilt. Man spricht hier auch von ego-aligned (in Bezug auf die Sprecherperspektive nacheinander gereihten) und ego-opposed (gegenläufigen) Perspektiven. Weil das gewählte Bezugssystem aber meist nicht explizit benannt wird, geben die unterschiedlichen Perspektiven regelmäßig Anlass zu Missverständnissen.
Literatur
- Radden, Günter (2011), Spacial time in the west and the east. In: Brdar, Mario; Omazic, Marija; Takac, Visna Pavicic; Gradecak-Erdeljic, Tanja & Buljan, Gabrijela (Eds.), Space and Time in Language. Frankfurt et al.: Peter Lang, 1 — 40.
- Roche, Jörg (2013), Mehrsprachigkeitstheorie. Erwerb — Kognition — Transkulturation — Ökologie. Tübingen: Narr.
(Mehr zu diesem Thema im Modul 1 Sprachenlernen und Kognition der Multilingua Akademie)
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(Kees de Bot)
Die elektrische Stimulation des Gehirns (EBS) ist ein invasives Neuroimaging-Verfahren zur Untersuchung, welche Teile des Gehirns mit bestimmten kognitiven Fähigkeiten in Verbindung gebracht werden können.
(Mehr zu diesem Thema im Modul 1 Sprachenlernen und Kognition der Multilingua Akademie)
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(Kees de Bot)
Electroencephalography
Die Elektroenzephalographie (EEG) ist ein Neuroimaging-Verfahren, das die elektrische Aktivität des Gehirns aufzeichnet und ein Gesamtbild der Gehirnaktivität erzeugt.
(Mehr zu diesem Thema im Modul 1 Sprachenlernen und Kognition der Multilingua Akademie)
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(Ruth Albert & Patricia Boos)
Elicitation
Elizitieren heißt wörtlich ‚hervorrufen‘ oder ‚sammeln‘. Ein Beispiel für das Sammeln von Daten in der Sprachlehr- und –lernforschung: Man möchte wissen, ob Lerner nach dem Einsatz einer bestimmten Lehrmethode das Perfekt richtig bilden und in der freien Rede anwenden können, und bittet sie zu erzählen, was sie am vorherigen Tag unternommen haben. So erhält man im besten Fall Sprachdaten, die das gewünschte sprachliche Phänomen, Verben im Perfekt, enthalten und kann diese im Anschluss auf ihre Angemessenheit hin analysieren.
Literatur
- Albert, Ruth & Marx, Nicole (2014), Empirisches Arbeiten in Linguistik und Sprachlehrforschung. Anleitung zu quantitativen Studien von der Planungsphase bis zum Forschungsbericht (2. überarbeitete Auflage). Tübingen: Narr.
(Mehr zu diesem Thema im Modul 3 Propädeutikum wissenschaftliches Arbeiten der Multilingua Akademie)
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(Sabine De Knop & Patricia Boos)
Beim embodied learning handelt es sich um einen Lernansatz, bei dem durch körperliche Erfahrungen die neuen Strukturen „erfahren/erlebt“ und eingeübt werden sollen. Beispielsweise kann man so die richtige Verwendung von Wechselpräpositionen einüben, in dem man das Konzept der Grenzüberschreitung (Akusativ, Ich gehe in den Raum) und des Verbleibs innerhalb einer Grenze (Dativ, Ich stehe im Raum, Ich gehe im Raum umher) erfahrbar macht.
Literatur
- Di Pietro, Robert J. (1987), Strategic Interaction: Learning Languages Through Scenarios. New York: Cambridge University Press.
(Mehr zu diesem Thema im Modul 1 Sprachenlernen und Kognition der Multilingua Akademie)
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(Sabine De Knop)
Dieses Konzept bezieht sich darauf, dass viele sprachliche Einheiten Ausdrücke einer körperlichen Handlung, einer „Verkörperung“ sind. In begreifen steckt auch das konkrete Greifen. Das Verfahren des embodied learnings macht sich dieses Konzept zunutze.
(Mehr zu diesem Thema im Modul 1 Sprachenlernen und Kognition der Multilingua Akademie)
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(Nicole Marx)
Empiricism
Der Empirismus wird – im Kontrast zum Rationalismus – als erkenntnistheoretischer Standpunkt verstanden, mit dem davon ausgegangen wird, dass Wissen oder Erkenntnis durch das Sammeln und Auswerten von beobachtbaren Erfahrungen erlangt werden kann. Das, was erfahrbar oder beobachtbar ist, kann bestimmt werden (Induktion). Typische Disziplinen, die vor allem empirisch arbeiten, sind zum Beispiel die Psychologie oder die Naturwissenschaften.
Die Sprachlehr- und Sprachlernforschung wendet sich zunehmend empirischen Forschungsmethoden zu. Untersucht man beispielsweise, ob chinesische Deutschlerner Bitten höflicher formulieren als Personen, die Deutsch als Erstsprache sprechen, könnte man das Vorkommen von Höflichkeitsausdrücken wie Bitte oder grammatischen Merkmalen wie des Konjunktiv II zählen (quantitative Forschungsmethoden) oder ein Umfrage durchführen (qualitative Forschungsmethode).
Literatur
- Engfer, Hans Jürgen (1996), Empirismus versus Rationalismus? Kritik eines philosophiegeschichtlichen Schemas. Paderborn: Schöningh.
(Mehr zu diesem Thema im Modul 3 Propädeutikum wissenschaftliches Arbeiten der Multilingua Akademie)
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(Gesine Lenore Schiewer)
Ein wichtiger Aspekt interkulturellen Lernens besteht im Erwerb kommunikativer Aushandlungskompetenz. Kulturübergreifende Verständigung bedeutet in Prozessen der Verständigungssicherung, mit Sprache als grundsätzlich konventionell verankertem Kommunikationsmittel, kulturelle Unterschiede und semantische Besonderheiten in der aktuellen Interaktion herauszuarbeiten und greifbar zu machen. Im Hinblick auf die Instrumente der Aushandlung sind verschiedene Prinzipien der Verständigungssicherung zu nennen. Dazu gehören: Nach- und Rückfragen sowie alle Formen interaktiver Vergewisserung unter Verwendung von Wiederholungen, Paraphrasen, der Herausstellung des inhaltlich Wichtigsten, zum Beispiel bei Wegauskünften, veranschaulichenden Metaphern, kommunikativen Reparaturen wie Selbstkorrekturen, Signalisierung von Zweifel und Nichtverstehen oder sogar markierten Formen des Schweigens. Das semantische Spektrum jeweils möglicher Bedeutungen auf Wort‑, Satz- und transphrastischer Ebene wird somit interaktiv im Austausch der Dialogpartner und ‑partnerinnen herausgearbeitet. Übergreifend können diese Prinzipien in der Terminologie der bis heute anregenden Prager Schule mit dem Begriff der Entautomatisierung veranschaulicht werden: Es geht darum, das Bedeutungsspektrum möglichst deutlich ins Bewusstsein zu rücken. Solche Formen der Entautomatisierung sind für die fremdsprachliche Kommunikation typisch, weil hier die Sprachbeherrschung nur teilweise automatisiert und insofern nicht selbstverständlich ist.
Literatur
- Schiewer, Gesine Lenore (2015), Die Nomadisierung der Moderne (Ilja Trojanow) als sprachpoetisches Programm. Interkulturelle Literaturwissenschaft und Fremdsprachenunterricht am Beispiel von ‚Chamisso-Literatur’. In: IDT 2013, Bd. 1, Hauptvorträge, hg. von Hans Drumbl und Antonie Hornung. Bozen: bu,press, 149–171.
(Mehr zu diesem Thema im Modul 7 Kultur- und Literaturwissenschaften der Multilingua Akademie)
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(Jörg Roche & Ferran Suñer Muñoz)
Entrenchment bezeichnet den Prozess der Etablierung und Verfestigung von Konstruktionen in einer Sprache beziehungsweise im individuellen Spracherwerb. Bei nicht standardmäßigen Formen spricht man von Fossilisierung und Stabilisierung.
(Mehr zu diesem Thema im Modul 1 Sprachenlernen und Kognition der Multilingua Akademie)
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Dieses Prinzip des handlungsorientierten Spracherwerbs besagt, dass Experimentieren und „Fehler“ zur Normalität des Lernens gehören.
(Mehr zu diesem Thema im Modul 1 Sprachenlernen und Kognition der Multilingua Akademie)
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(Nicole Marx)
Epistemology
Die Epistemologie setzt sich mit dem Wesen von Wissen auseinander und mit der Frage, auf welchen verschiedenen Erkenntniswegen dieses erlangt werden kann (zum Beispiel durch empirische oder rationalistische Zugänge). Im Kern geht es darum, zu bestimmen, was als ‚Wissen‘ klassifiziert werden kann und wie dieses entsteht. Was ist zum Beispiel nur ein Glaube, was kann – zumindest vorübergehend – als Fakt verstanden werden? Nur auf dieser Grundlage kann wirklich Wissenschaft betrieben werden. Denn nur durch ständige Entwicklung, Expansion und Revision (und nicht zuletzt Disputation) von Grundannahmen, von Erkenntnissen und von Prinzipien kann sich ein Fach entwickeln.
Die Grenzen der Epistemologie – unter anderem die Definierbarkeit von Wissen – werden besonders deutlich, wenn bei empirischen Forschungen bestimmte zu untersuchende Größen (Konstrukte) operationalisiert, oder definiert werden müssen. Was meint beispielsweise der Ausdruck „besser“ in der Hypothese, dass Kinder Fremdsprachen besser lernen als Erwachsene. Geht es um Geschwindigkeit, Vollständigkeit, sind bestimmte sprachliche Bereiche wie zum Beispiel Phonetik (Aussprache) eher betroffen als andere (zum Bespiel Wortschatz) usw.?
Literatur
- Popper, Karl (1963/1994), Vermutungen und Widerlegungen. Das Wachstum der wissenschaftlichen Erkenntnis. Tübingen: Mohr Siebeck.
(Mehr zu diesem Thema im Modul 3 Propädeutikum wissenschaftliches Arbeiten der Multilingua Akademie)
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(Jörg Roche & Ferran Suñer Muñoz)
Point of Event, Point of Speech, Point of Reference
Die Ereigniszeit (E, point of event) definiert den Zeitpunkt oder Zeitraum, an dem ein Ereignis stattfindet, das durch die Sprechzeit (S, point of speech) referenziert werden kann. Die Ereigniszeit (E) kann vor der Sprechzeit (S), dem Zeitpunkt oder Zeitraum, in dem die Äußerung produziert wird, liegen, mit ihr zusammenfallen oder auch erst nach ihr eintreten. Es war schön im Urlaub bedeutet also, dass E vor S erfolgt ist. Wann genau, kann ein Sprecher zudem lexikalisch markieren (etwa durch letztes Jahr). Der Urlaub war so teuer, dass ich mir lange Zeit keinen mehr leisten werde situiert die traurigen Aussichten in der Zukunft. S erfolgt vor E. Bei Isch bin glücklisch fallen beide zusammen, ob im Dialekt, in der Talkshow oder irgendwo anders. Mit dem Plusquamperfekt und ähnlichen Tempora in anderen Sprachen lässt sich eine Vor-Vorzeitigkeit zu einem Ereignis vor der Sprechzeit ausdrücken. Bis vorletztes Jahr hatte sie noch nie Urlaub gemacht. Die Sprecherin bezieht sich auf eine Referenzzeit (R, point of reference) (vorletztes Jahr), die vor der Ereigniszeit (E) (als sie im Urlaub war) liegt.
Die Klassifizierung bezieht sich auf das Modell von Reichenbach und weitere Spezifizierungen durch Ehrich/Vater und Klein.
Literatur
- Ehrich, Veronika & Vater, Heinz (1989), Das Perfekt im Dänischen und im Deutschen. In: Abraham, Werner & Janssen, Theo (Hrsg.), Tempus — Aspekt — Modus: Die lexikalischen und grammatischen Formen in den germanischen Sprachen. Tübingen: Niemeyer, 103 — 132.
- Klein, Wolfgang (1994), Time in Language. London, New York: Routledge.
- Reichenbach, Hans (1947), Elements of Symbolic Logic. Berkeley: University of California Press.
(Mehr zu diesem Thema im Modul 1 Sprachenlernen und Kognition der Multilingua Akademie)
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(Ruth Albert)
Explorative Studies
Explorativ bedeutet ‚erforschend, auskundschaftend‘. Explorative Studien sind Studien, die Forscherinnen und Forschern zunächst einmal einen Überblick über ihren Untersuchungsgegenstand und sein Umfeld verschaffen sollen. Dabei gibt es noch keine zu überprüfenden Hypothesen, sondern es werden Informationen gesammelt. Wenn man zum Beispiel wissen will, welche Vokabellernstrategien besonders erfolgversprechend sind, kann man zunächst einmal Lerner befragen, wie sie beim Vokabellernen vorgehen. Wenn man eine Liste von häufig praktizierten Lernstrategien zusammengestellt hat, kann man in einem zweiten Schritt mit weiteren quantitativen und qualitativen Verfahren die Wirkung dieser Lernstrategien untersuchen.
Literatur
- Albert, Ruth & Marx, Nicole (2014), Empirisches Arbeiten in Linguistik und Sprachlehrforschung. Anleitung zu quantitativen Studien von der Planungsphase bis zum Forschungsbericht (2. überarbeitete Auflage). Tübingen: Narr.
(Mehr zu diesem Thema im Modul 3 Propädeutikum wissenschaftliches Arbeiten der Multilingua Akademie)
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(Isabel Hoffmann)
Extended Reality (XR) wird oft in Zusammenhang mit der Mensch-Maschinen-Interaktion (human computer interaction, HCI) und Robotik genannt. Er wird weitgehend deckungsgleich mit Augmented Reality (AR) verwendet. Er beschreibt grundlegend die Tatsache der Einbindung des menschlichen Körpers sowohl bei der Entwicklung als auch bei der Nutzung von neuen Technologien wie AR und VR. Extended Reality wird zudem in einem erweiterten Sinn alltagsbezogen verwendet, um beispielsweise den Sachverhalt zu beschreiben, dass wir Objekte wie Brillen oder Kugelschreiber nutzen, um mit deren Hilfe eine Aufgabe besser bewältigen zu können. Dabei erleben wir ihre Existenz und Wirkung jedoch nicht jedes Mal bewusst. Die Gegenstände ‚erweitern‘, beziehungsweise verbessern unsere (körperlichen) Leistungen und Möglichkeiten.
(Mehr zu diesem Thema im Modul 9 Grundlagen der Medienwissenschaft und Mediendidaktik der Multilingua Akademie)