Foren­si­sche Lin­gu­is­tik – Autoren- / Tätererkennung

(Ber­na Kahraman)

Foren­sic lin­gu­i­stics – aut­hor­ship attribution

Über­blick über die foren­si­sche Linguistik

Die Foren­si­sche Lin­gu­is­tik ist ein Anwen­dungs­be­reich der Sprach­wis­sen­schaft und vor allem in der Straf­ver­fol­gung ange­sie­delt. Der Begriff der Foren­sik geht zurück auf das latei­ni­sche Wort „foren­sis“ („gericht­lich“). Die Auf­ga­benbe­rei­che der Foren­si­schen Lin­gu­is­tik kön­nen grob in die Spra­che des Geset­zes, die Spra­che vor Gericht und die Spra­che des Täters/der Täte­rin unter­teilt wer­den. Spra­che ist in die­sen Berei­chen also Werk­zeug, Unter­su­chungs­ge­gen­stand und Beweismittel.

Autoren-/Tä­ter­er­ken­nung

Das Haupt­au­gen­merk der foren­si­schen Lin­gu­is­tik liegt in Deutsch­land im Bereich der Autor­ana­ly­se und somit der Spra­che des Täters/der Täte­rin. Die Mit­tel, also die „pro­duk­ti­ons­tech­ni­schen Grund­la­gen“ (Schall 2011:600) spie­len nur eine peri­phe­re Rol­le. Die­ser Bereich ist in der Foren­si­schen Lin­gu­is­tik eng defi­niert und wird unter straf­recht­li­che Ver­fah­ren geglie­dert, wor­un­ter man die Autore­n­er­ken­nung ver­steht, die von dem Bun­des­kri­mi­nal­amt und den Lan­des­kri­mi­nal­äm­tern geleis­tet wird. Dass der Schwer­punkt in Deutsch­land auf der Autore­n­er­ken­nung liegt, hängt zusam­men mit der Auf­ga­benzu­wei­sung der Jus­tiz und dem Bewusst­sein, dass die foren­si­sche Lin­gu­is­tik als Hilfs­wis­sen­schaft für juris­ti­sche und kri­mi­no­lo­gi­sche Zwe­cke zum Tra­gen kommt.

Lin­gu­is­ti­sche Merk­ma­le der Autoren-/Tä­ter­er­ken­nung

Die Spra­che des Täters/der Täte­rin betrifft schrift­li­che und münd­li­che Erschei­nungs­for­men. Hier fin­det die Spre­cher­er­ken­nung in der gespro­che­nen Spra­che sowie die Autore­n­er­ken­nung in der geschrie­be­nen Spra­che bei soge­nann­ten inkri­mi­nier­ten Tex­ten statt. Bei der Spre­cher­er­ken­nung spie­len die Stim­me, die Spra­che und die Sprech­wei­se des Täters/der Täte­rin die wich­tigs­ten Rol­len. Stimm­ana­ly­sen betref­fen die Stimm­la­ge und die Stimm­hö­hen­va­ri­anz. Aspek­te wie Into­na­ti­on, Rhyth­mus, Sprech­ge­schwin­dig­keit, Pau­sen und Akzen­te sind Unter­su­chungs­ge­gen­stän­de der Teil­ka­te­go­rie Sprech­wei­se. Wei­te­re Auf­ga­benbe­rei­che der Spre­cher­er­ken­nung sind nicht-sprach­li­che Gege­ben­hei­ten, die rele­vant für die Ermitt­lung eines Täters/einer Täte­rin sein kön­nen, wie z.B. Hin­ter­grund­ge­räu­sche. Bei der Ana­ly­se geschrie­be­ner Tex­te wer­den unter­schied­li­che  Beschrei­bungs­ebe­nen, wie Ortho­gra­fie und Inter­punk­ti­on, Gram­ma­tik, Lexik, Text­struk­tur (vor allem auch auf­fäl­li­ge Eigen­schaf­ten und Feh­ler) und die äuße­re Form  (Schrift, Schreib­me­di­um) sowie grup­pen­spe­zi­fi­sche Varia­tio­nen erfasst.  Sie kön­nen einem Hand­schrif­ten­ver­gleich unter­zo­gen wer­den. Zu den sprach­li­chen Erschei­nungs­for­men gehö­ren Varie­täten wie Dia­lek­te, Sozio­lek­te, Ideo­lek­te sowie Ver­stel­lun­gen. Die lin­gu­is­ti­sche Ana­ly­se inkri­mi­nie­ren­der Tex­te dient der Ermitt­lung von Infor­ma­tio­nen zu einem mög­li­chen Autoren­pro­fil oder der Bestim­mung zu einer bestimm­ten Per­so­nen­grup­pe. Mit­tels der Autoren­ana­ly­se kön­nen Annah­men über Alter, Bil­dungs­grad, Mut­ter­spra­che, Berufs­grup­pe, Her­kunfts­re­gi­on und Anzahl der Autoren getrof­fen wer­den. Die sozia­le Iden­ti­tät (etwa Bil­dungs­grad, Alter und Berufs­grup­pe) lässt sich durch ver­wen­de­te sprach­li­che Regis­ter (Sozio­lek­te) ermit­teln. Ein wich­ti­ges lin­gu­is­ti­sches Merk­mal ist dabei der Code­wech­sel, der nicht unbe­dingt von einer Spra­che in die ande­re, son­dern auch zwi­schen ver­schie­de­nen Varie­täten erfol­gen kann.  Die unter­schied­li­chen Fak­to­ren des Wech­sels geben wich­ti­ge Hin­wei­se auf die Her­kunft und die Moti­va­ti­on eines mög­li­chen Täters. Bei der Ermitt­lung von Iden­ti­täts­merk­ma­len aus ver­stell­ten Sprech­wei­sen spielt die „fin­gier­te Ler­nerspra­che“ eine zen­tra­le Rol­le. Nicht sel­ten ver­wen­den Täter sprach­li­che Mit­tel, die bewusst eine ande­re Iden­ti­tät vor­täu­schen sol­len, um so die Ermitt­lun­gen auf eine ande­re Spur zu len­ken. Dabei imi­tie­ren Sprecherinnen/Sprecher ger­ne den Zweit­sprach­er­werb von Ler­nern. Die Täter/Täterinnen ori­en­tie­ren sich dabei aber meist an schrift­sprach­li­chen Xeno­lekt-Varie­täten, die sich aber erheb­lich von ech­ter Ler­nerspra­che unter­schei­den kön­nen. Eine wei­te­re Mög­lich­keit der vor­ge­täusch­ten Iden­ti­tät liegt in der Auf­wer­tung der Sprach­kom­pe­tenz vor, z.B. durch den Ein­satz von fach­sprach­li­chen Aus­drü­cken. Dabei wird eine ver­meint­li­che Pro­fes­sio­na­li­tät vorgetäuscht.

Lite­ra­tur

  • Gre­wen­dorf, Gün­ther (Hrsg.) (1992), Rechts­kul­tur als Sprach­kul­tur: Zur foren­si­schen Funk­ti­on der Sprach­ana­ly­se. Frank­furt am Main: Suhrkamp.
  • Fob­be, Eili­ka (2014), Fin­gier­te Ler­nerspra­chen. Stra­te­gien der mut­ter­sprach­li­chen Feh­ler­pro­duk­ti­on im Diens­te der Ver­stel­lung. In: Zeit­schrift für ger­ma­nis­ti­sche Lin­gu­is­tik1 4, 42: 2, 196 – 222.
  • Schall, Sabi­ne (2011), Foren­si­sche Lin­gu­is­tik. In: Knapp, Karl­fried (Hrsg.), Ange­wand­te Lin­gu­is­tik: Ein Lehr­buch. 3. Auf­la­ge, Tübin­gen: Narr Fran­cke Attemp­to Ver­lag, 600 – 618.

 

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